Berlin (KNA) Der ägyptisch-deutsche Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad kritisiert den Umgang der Politik mit Muslimen, die sich im Westen für Säkularismus und Emanzipation einsetzen.
Sie seien “Einzelkämpfer” und fühlten sich “von der Politik im Stich gelassen, wenn der Staat eher die Konservativen, also die Islamverbände als Partner sieht”, sagte Abdel-Samad der “Welt” (Samstag).
Allgemein hätten viele Menschen in der islamischen Welt längst erkannt, dass sie ihre Haltung zur Religion modernisieren sollten. Muslime in der Fremde dagegen gönnten sich den “Luxus, an veralteten Strukturen festzuhalten”, betonte der Islamkritiker. Die Integration in Europa sei gescheitert.
Integration müsse verpflichtend werden. “Die Politik muss die Rahmenbedingung für eine klare Migrations- und Integrationspolitik nennen”, sagte Abdel-Samad. Bislang gebe es kein Konzept. Aus seiner Sicht gebe es vier Felder: “strukturelle Integration durch Arbeit, kulturelle Integration durch Sprache und Kultur, soziale Integration durch Symbiosen, und emotionale Integration durch Identifikation mit dem Land”.
Ein Migrant müsse sich mit Deutschland identifizieren wollen. Jedoch habe das Land “anders als die klassischen Einwanderungsländer wie Amerika und Kanada” kein positives Nationalbewusstsein und keinen Gründungsmythos. “‘Nie wieder Krieg’ reicht leider nicht aus”, meinte der Politikwissenschaftler. In Deutschland reiche noch immer nicht der Wille eines Migranten aus, um als Deutscher anerkannt zu werden. Herkunft und Aussehen spielten nach wie vor eine zu große Rolle.
Für das Zusammenleben sei es ausreichend, “wenn wir uns darüber einig sind, dass nur ein Gesetz in diesem Land Geltung hat und dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und dass Religion Privatsache ist. Es reicht, wenn wir alle die Freiheit hoch schätzen und sie nicht als Gefahr für die eigene Identität fürchten”, empfahl Abdel-Samad.
Allerdings befürchte er, dass “die Radikalen an beiden Rändern” noch stärker polarisieren und mobilisieren und die Mitte der Gesellschaft lähmen würden. “Die Gesellschaft ist schon jetzt geistig gespalten, diese Spaltung könnte auch physisch werden.”
(KNA – skokr-89-00016)