Berlin/Köln (KNA) Trotz der Spitzelaffäre um zahlreiche Ditib-Imame hat die Bundesregierung der türkischen Religionsbehörde Diyanet im vergangenen Jahr die Entsendung von 350 islamischen Geistlichen nach Deutschland genehmigt. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervor, aus der der “Kölner Stadt-Anzeiger” (Mittwoch) zuerst berichtete. Linke, die AfD und die Gesellschaft für bedrohte Völker kritisieren die Entscheidung.
Demnach haben die deutschen Behörden entsprechende Arbeitsvisa mit einer Gültigkeitsdauer von 180 Tagen ausgegeben. Allerdings habe das Ministerium keine Erkenntnisse darüber, ob die Imame das Land nach Ablauf der Frist wieder verlassen oder möglicherweise Asyl beantragt haben.
Der türkische Staat unter Präsident Recep Tayyip Erdogan dehnt laut Zeitung offenbar seinen Einflussbereich auch auf andere islamische Verbände in Deutschland aus. Die Diyanet-Imame werden demnach nicht nur in Moscheen der Ditib eingesetzt, 43 von ihnen sind laut Innenministerium derzeit für die Islamische Gemeinde Milli Görüs (IGMG) tätig. Angeblich handelt es sich dabei um eine Art Leih-Geschäft, um einen theologischen Engpass zu überbrücken.
“Die Bundesregierung ist völlig naiv oder verantwortungslos”, kritisierte Sevim Dagdelen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag. “Mehr türkische Diyanet-Imame heißt mehr Erdogan-Einfluss.” Es sei absurd zu erwarten, dass “ein Verband die Stärkung demokratischer Haltungen in Deutschland unterstützen soll, der in eine Spionage-Affäre verstrickt ist und an der Einschüchterung von Erdogan-Kritikern und Verfolgung von Andersdenkenden mitwirkt”.
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel erklärte, die bezahlten Ditib-Imame seien PropagandaLautsprecher für den türkischen Staat. Diese Konstellation sei eine Hauptursache für die Verfestigung islamischer Parallelgesellschaften. Die in Ditib-Moscheen verbreitete Mischung aus türkischem Nationalismus und fundamental-islamischer Propaganda sei pures Gift für die Integration.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) forderte, Visa an Imame aus der Türkei zurückhaltender zu vergeben. “Solange Ditib-Imame türkische Kriegspropaganda gegen Kurden verbreiten, Juden, Christen, Aleviten und Jesiden anfeinden, sollte Deutschland restriktiv mit Einreisevisa für diese Geistlichen umgehen”, sagte GfbV-Direktor Ulrich Delius in Göttingen. Es müsse geprüft werden, ob die Antragsteller für Toleranz gegenüber Minderheiten und für Religionsfreiheit eintreten.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) ist der größte islamische Verband in der Bundesrepublik. Sie vertritt nach eigenen Angaben mehr als 900 formell selbstständige Mitgliedsvereine. Die Ditib wird vom türkischen Religionsministerium mitfinanziert und gelenkt. Kritiker werfen dem Verband vor, als verlängerter Arm der türkischen Regierung zu fungieren und durch eine nationalistische Ausrichtung die Integration der Türken in Deutschland zu behindern.
(KNA – skomp-89-00170)