Liebe Leserinnen und Leser,
der christlich-islamische Dialog benötigt oft einen langen Atem. Schon während des II. Vatikanischen Konzils (1962–1965) hatte Papst Paul VI. erkannt, dass die dialogische Öffnung der Kirche auch institutionell begleitet werden muss, weshalb er 1964 den heutigen Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog gründete. Jean-Louise Kardinal Tauran leitet seit 2007 diese Einrichtung, die eine eigene Kommission für den Dialog mit den Muslimen innehat. Fast zeitgleich zu seinem 75. Geburtstag unternahm der Kardinal auf Einladung des saudischen Königshauses nun eine Reise nach Riad. Die eklatant restriktive Religionspolitik Saudi-Arabiens, die andere – auch muslimische – religiöse Auffassungen ausschließt, wurde an dieser Stelle mehrfach problematisiert. Daher ist es bemerkenswert, dass das Königshaus innerhalb von wenigen Monaten zwei hochrangige kirchliche Vertreter ins Land eingeladen hat. Denn schon im November 2017 hatte der maronitische Kardinal Boutros Béchara Rai das Land besucht. Damals deutete sich an, dass das Land sich allmählich nach außen öffnen möchte. Heute scheint es so, dass die vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman angestoßenen Reformen auch eine Liberalisierung in der Religionspolitik beinhaltet. Dafür spricht, dass obwohl eine nicht islamische Religionsausübung in dem Land verboten ist, Kardinal Tauran während seines fünftägigen Aufenthalts in Riad auch eine heilige Messe gefeiert hat. Er mahnte bei einer Rede vor der Islamischen Weltliga gegenüber seinem Gastgeber eine zunehmende Beachtung der Religionsfreiheit an und verwies auf das Recht von hunderttausenden christlichen Gastarbeitern, ihren Glauben zu praktizieren. Er warnte außerdem davor, dass eine Instrumentalisierung der Religion für politische Zwecke schädlich sein kann.
Es wurde auch ein Abkommen zwischen dem Vatikan und der Islamischen Weltliga geschlossen. Darin wird festgehalten, dass die Dialogpartner sich alle drei Jahre zusammensetzen, um ein bestimmtes Thema zu besprechen. Nach seiner Rückkehr zog der Kardinal Bilanz: „In Saudi- Arabien – das muss man sagen – gibt es noch keine Religions- oder Kultfreiheit. Dabei wäre die Kultfreiheit lediglich das Minimum! So sieht zum Beispiel das Diplomatenrecht vor, dass es in Botschaften durchaus auch Kapellen geben darf. Christen müssten als Christen am kulturellen und sozialen Dialog teilnehmen dürfen – und da liegt die Schwierigkeit, denn die Nicht-Muslime werden doch weiter als Bürger zweiter Klasse angesehen. Da liegt noch viel Arbeit vor uns. Aber in dieser Hinsicht hat es mir eine große Freude gemacht, als mir der König sagte: ›Ich anerkenne den Beitrag der Christen, der Nicht-Muslime, beim Aufbau des Landes.‹ Das halte ich für sehr positiv. Und tatsächlich tragen sie ja zur Entwicklung dieses Landes bei.“
Im christlich-islamischen Dialog führt kein Weg daran vorbei, sich auch den kontroversen Themen zu stellen. In dieser Ausgabe dokumentieren wir Texte aus der letzten CIBEDO-Werkstatt: Theologie im Angesicht des Islam zu „Muhammad“. Das Thema wurde aus unterschiedlichen Perspektiven angegangen. Die Beschäftigung mit der Person und Lehre des islamischen Propheten bildet nach wie vor eine Herausforderung und einen Ansporn sowohl für die islamische als auch für die katholische Theologie.
Möge die Lektüre dieses Heftes Ihnen viel Freude bereiten!
Ihr Dr. Timo Güzelmansur
Inhalt
Studien
„Historischer Muhammad“ oder „Muhammad des Glaubens“? Muhammad aus islamwissenschaftlicher Perspektive
Armin Eschraghi
Ein Prophet mit vielen Facetten. Muhammad aus islamisch-theologischer Perspektive
Nora Kalbarczyk
Erinnerung an einfache Ursprünge, Bemerkungen zur Anerkennung Muhammads als Re-Visionär
Johann Ev. Hafner
Dokumentation
„Ängste überwinden, um dem anderen entgegenzugehen“
Predigt von Papst Franziskus zum Welttag des Migranten und Flüchtlings
„Ich werde nicht aufhören, Gott um wahren Frieden zu bitten“
Brief von Papst Franziskus an den Großscheich der Al-Azhar Universität
Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit 2017
Auszüge des Statements von Erzbischof Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche, bei der Pressekonferenz am 15. Dezember 2017
Für die Begegnung mit Muslimen. Theologische Positionsbestimmung
Positionspapier der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 12. Januar 2018
Zum Tod von Karl Kardinal Lehmann
Hans Vöcking MAfr
Berichte
Dialogbegleiter – Wegbereiter. Ausbildungskurs zu Multiplikatoren des interreligiösen Dialogs, Erzbistümer Köln und Paderborn
Eva-Maria Leifeld, Thomas Frings und Jurek Preker
Prävention von Radikalisierung. Bericht eines Programms der nordrheinwestfälischen Justizvollzugsanstalten
Luay Radhan
Christlich-Islamische Beziehungen im europäischen Kontext. Studienwoche für Studierende und junge WissenschaftlerInnen
Sophia Kremser
Über den Wert der Zwischenschritte. Eröffnung des Pavillons des House of One
Osman Örs und Roland Stolte
„Liberale Moschee“ in der Debatte. Diskussionsabend zu religions- und gesellschaftspolitischen Perspektiven
Karsten Kreutzer
Islam und Recht. Fachtagung im Landtag von Rheinland-Pfalz, Mainz, 2. März 2018
Kyrill-Alexander Schwarz
Muslimische Tradition und schweizerische Gesellschaft. Antrittsvorlesungen von Prof. Dr. Hansjörg Schmid und Prof. Dr. Amir Dziri, Universität Freiburg i. Ü.
Nadire Mustafi
Macht und Religion. Theologisches Forum Christentum-Islam, Katholische Akademie Rottenburg-Stuttgart, 9.–11. März 2018
Florian Jäckel und Ulrika Kilian
Islamismus-Prävention und Rechtsstatus des Islam in Deutschland. Bericht über einen Studientag und eine Podiumsdiskussion
Sebastian Prinz
Buchbesprechungen
Kuschel, Karl-Josef: Die Bibel im Koran. Grundlagen für das interreligiöse Gespräch
Tobias Specker
Blume, Michael: Islam in der Krise. Eine Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug
Florian Jäckel
Literaturhinweise
Zeitschriftenschau