Liebe Leserinnen und Leser,
im vergangenen Dezember wurden neunzehn christliche Märtyrer seliggesprochen, darunter die Mönche von Tibhirine. Der Trappistenmönch Armand Veilleux beschäftigt sich mit deren Glaubenszeugnis in Algerien: Die Mönche gerieten in die Kämpfe zwischen algerischer Armee und Islamisten und trafen die Wahl, an der Seite der muslimischen Freunde und Nachbarn zu bleiben. Die religiösen Wurzeln der Solidarität mit diesen Muslimen sind ein lebendiges Zeugnis, wie der interreligiöse Dialog tiefer verstanden und gelebt werden kann. Ein weiteres solches Zeugnis kann in der Begegnung von Franz von Assisi mit dem Sultan al‑Kamil im Jahr 1219, vor nunmehr 800 Jahren, gesehen werden. Auch hier herrschte Krieg, Heere christlicher und muslimischer Soldaten standen sich als Feinde gegenüber. Es ist bemerkenswert, dass Franziskus ohne Furcht und mit friedlichen Absichten den Sultan aufsuchte und einige Tage im feindlichen Lager blieb. Noch erstaunlicher ist auch, dass er Ägypten unversehrt hat verlassen können. Der Franziskanerfrater Jürgen Neitzert hat die Nachwirkungen dieser Begegnung und wie der Orden des heiligen Franziskus mit diesem Erbe umgeht, in einem lesenswerten Beitrag für dieses Heft zusammengestellt.
Als Papst Franziskus vom 3. bis 5. Februar 2019 als erster Pontifex in der Geschichte die Arabische Halbinsel besuchte, wirkte die Szene aus 1219 im Hintergrund. Der Papst möchte alles unternehmen, damit Kriege aufhören, Frieden unter den Menschen herrscht und Christen und Muslime sich nicht als Gegner wahrnehmen, sondern als Geschwister. So ist der Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten von dem Willen geprägt, Mitstreiter zu gewinnen, die an einer gerechten und friedlichen Welt mitarbeiten.
Die Emirate und eine Gruppe einflussreicher muslimischer Gelehrter, der „Muslim Council of Elders“, haben zu einer „Global Conference for Human Fraternity“ ca. 700 Personen aus den verschiedenen Religionen und aus allen Kontinenten der Welt nach Abu Dhabi eingeladen. An der Spitze des „muslimischen Ältestenrates“ steht Ahmad al‑Tayyeb, der Großscheich der Azhar‑Universität in Kairo. Die Teilnahme des Papstes an dieser Konferenz war auch der offizielle und hauptsächliche Anlass für seine Reise.
Kritiker heben hervor, solche Treffen seien eine Art Schaulaufen, das nichts bewirke als schöne Bilder und Worte. Diesem Einwand kann mit Tobias Speckers SJ trefflichem Kommentar entgegnet werden: „Eine Show war weder der Besuch noch der freundliche Empfang, sondern sehr ernst gemeint. Aber er war sicher ein Symbol. Das heißt, er hat eine Wirklichkeit gezeigt, die so an vielen Orten kein Alltag ist. Aber er hat Hoffnung gemacht, dass es einmal so harmonisch sein kann. Und vielleicht hat er bei Christinnen und Christen und auch bei Muslimen und Muslimas die Sehnsucht verstärkt, dass sie alles tun, damit es so wird.“
Christen und Muslime sollten sich mehr anstrengen für die soziale Gerechtigkeit, die sittlichen Güter und nicht zuletzt für die Förderung des Friedens und der Freiheit für alle Menschen. Der interreligiöse Dialog bietet einen Weg, dieses Ziel zu erreichen. Jede und jeder kann seinen Beitrag dazu leisten!
Ihr Dr. Timo Güzelmansur
Inhalt
Studien
1219 – 2019. 800 Jahre Franziskaner unter Muslimen
Jürgen Neitzert OFM
Die Begegnung mit dem Anderen inmitten der Gewalt. Die Botschaft der sieben Mönche von Tibhirine
Armand Veilleux OCSO
Interreligiöse Kompetenz in Schule und Gemeinde. Entgegnung und Fortführung des Beitrags von Timo Güzelmansur „Ein Plädoyer für mehr interreligiöse Kompetenz“
Manfred Riegger
Dokumentation
„Wenn die Religionen nicht Wege des Friedens einschlagen, verleugnen sie sich selbst“
Botschaft von Franziskus zum Friedenstreffen in Bologna, 17. Oktober 2018
„Das Wirken Gottes auch bei Menschen erkennen, die nicht zu unserem Kreis gehören“
Angelus-Gebet, 30. September 2018
„Je schwieriger die Situation, desto nötiger der interreligiöse Dialog“
Gemeinsame Stellungnahme von Papst Franziskus und Katholikos-Patriarch der Assyrischen Kirche des Ostens Mar
Gewargis III., Vatikan, 9. November 2018
„Dialog als Teil der offenen Lerngeschichte der Reformation“
Positionspapier der EKD zum christlichislamischen Dialog, September 2018
Berichte
eye_land. Ein Projekt des Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrums
Peter Liedtke
Integrato. Fortbildungsinitiative zur Arbeit mit Geflüchteten
Ulrich Papenkort, Fabienne Theis und Frank van der Velden
Katholiken damals, Muslime heute? Religiöse „Parallelgesellschaften“ im Vergleich. Streitgespräch, Deutscher Historikertag, Münster, 27. September 2018
David Rüschenschmidt
Muslime und Salafismus in Deutschland. Veranstaltung der Akademie Rottenburg-Stuttgart, Weingarten, 27./28. September 2018
Ottilie Bitschnau
Darf der Koran von Muslimen historisch‑kritisch gelesen werden? Auftakt des Roundtable Qur’anic Studies
Dina El Omari
„Den Islam verlassen. Aber zu welchem Preis?“ Journée d’étude, Institut Catholique de Paris, 9. November 2018
Markus Kneer
Muslimisches Leben in der Kommune. Jahrestagung des Projekts „Islam-Beratung“, Stuttgart-Hohenheim, 13. November 2018
Ottilie Bitschnau
Verschiebungen innerhalb des Migrationsdiskurses. Internationale Konferenz, KH Mainz, 23. November 2018
Bastian A. Vollmer
Moscheen in Deutschland. Werkstattgespräch der Evangelischen Akademie Loccum, 14.–16. Dezember 2018
Vivien Neugebauer und Laura Haddad*
Buchbesprechungen
Middelbeck-Varwick, Anja: Cum aestimatione. Konturen einer christlichen Islamtheologie
Michaela Quast-Neulinger
Dreß, Malte: Die politischen Parteien in der deutschen Islamdebatte. Konfliktlinien, Entwicklungen und Empfehlungen
Sebastian Prinz
Literaturhinweise
Zeitschriftenschau
* In der Druckversion wurde Dr. Laura Haddad (Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien, Universität Osnabrück) nicht als Autorin des Berichts genannt. Die Redaktion bedauert diesen Fehler und bittet um Entschuldigung.
Weiteres
Heft 1/2019 beim Aschendorff Verlag
erschienen 23.04.2019
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