Bonn (KNA) Forderungen nach Sachlichkeit und Wachsamkeit bestimmen die Diskussion über Antisemitismus an Schulen.
Anstelle aufgeregter Polarisierungen müssten die Probleme sachlich analy-siert und danach Lösungen erarbeitet werden, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregie-rung, Annette Widmann-Mauz (CDU), am Donnerstag dem SWR. Münsters Bischof Felix Genn ver-langte “Nulltoleranz” als Reaktion von Christen, “wenn es in unserem Land auch nur die geringsten Anzeichen von Judenhass und Antisemitismus gibt”.
Es sei beschämend, was das deutsche Volk und viele andere dem jüdischen Volk im Laufe “der sich christlich nennenden Geschichte” angetan hätten. Dabei habe auch die Kirche im Laufe ihrer Ge-schichte “dunkle Seiten” gehabt, sagte Genn.
Widmann-Mauz erklärte, dass Bedrohungen aus religiösen Gründen “in unserer Gesellschaft nichts zu suchen haben”. Religion sei keine Frage der Toleranz, sondern ein Grundrecht. Wichtig ist aus ihrer Sicht, die Ursachen von religiösem Hass zu bekämpfen. Politik alleine könne das Problem aber nicht lösen. Nötig sei das Eintreten jedes einzelnen, in dessen Umfeld es entsprechende Vorkomm-nisse gebe.
Das Abrahamische Forum in Deutschland betonte, dass es seit Jahren Beispiele für Mobbing gegen jüdische und muslimische Schüler gebe. “Über Beispiele von antisemitischem und antimuslimischem Mobbing an Schulen werden wir vereinzelt informiert. In Zusammenarbeit mit den Kindern, Lehren-den und Eltern lassen sich meist Lösungen finden”, so Geschäftsführer Jürgen Micksch. Eine Her-ausforderung sei derzeit antimuslimischer Rassismus.
Der Vorstand der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, Dervis Hizarci, sagte der “Süddeutschen Zeitung”, er habe keinen “generellen Anstieg” antisemitischer Übergriffe an Schulen festge-stellt. “Aber wir sehen punktuelle Anstiege nach bestimmten Anlässen”, etwa wenn sich ein Thema in Nahost zuspitze. Fast immer spielten politische Gründe eine größere Rolle als religiöse. Es sei nicht zu beobachten, dass das Klima in den Klassen generell religiös aufgeladen sei.
Ausgelöst worden war die Debatte von einem Vorgang an einer Berliner Grundschule, über den die “Berliner Zeitung” berichtet hatte. Demnach griffen muslimische Schüler ein jüdisches Mädchen an, “weil sie nicht an Allah glaubt”. Zuvor habe ein Schüler auf die Angabe des Mädchens, sie sei Jüdin, das Wort “Jude” mehrfach in bedrohlichem Tonfall wiederholt. Das Mädchen sei außerdem schon einmal mit dem Tode bedroht worden.
Dies sei ein einzelner Fall, betonte Hizarci. Allerdings habe er in den vergangenen zwölf Monaten von mindestens zwei weiteren solcher Fälle in Berlin gehört. “Außerdem wissen wir von dem Direktor der jüdischen Oberschule, dass etwa acht Schüler pro Schuljahr nach antisemitischem Mobbing ihre Schule verlassen und auf das jüdische Gymnasium wechseln. Die Dunkelziffer können wir nur schät-zen, wir gehen von jährlich ein bis zwei Dutzend Fällen aus.” Im Vergleich zu über 300.000 Schülern in Berlin “ist das wenig und trotzdem zu viel”.
(KNA – sknmt-89-00077)