Frankfurt (KNA) Der Zentralrat der Juden in Deutschland und viele Experten hoffen auf Fortschritte im Kampf gegen Judenfeindlichkeit durch den neuen Bundesverband Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS). Dieser soll antisemitische Vorfälle bundesweit dokumentieren. Anders als bei amtlichen Statistiken sollen dabei aber auch solche Vorfälle aufgezeichnet werden, bei denen keine Straftat begangen wurde. “Dadurch haben wir die Chance, den Kampf gegen Antisemitismus auf ein tragfähiges Fundament zu stellen”, sagte der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, Daniel Botmann, der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Montag).
“Die Besorgnis innerhalb der jüdischen Gemeinschaft über den grassierenden Antisemitismus ist außerordentlich groß”, so Botmann weiter, der eines von drei Vorstandsmitgliedern des Verbands ist: “Ein exaktes Monitoring von Antisemitismus ist eine unabdingbare Voraussetzung, um Antisemitismus jeglicher Couleur erfolgreich bekämpfen zu können.” Ab Januar will RIAS zunächst in 9 Bundesländern aktiv werden, später in allen 16. Finanziert werden soll das Projekt unter anderem mit Mitteln aus dem Familienministerium.
Aus der Sicht des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, kann das neue System einen Missstand beheben. “Die Bedeutung eines bundesweiten Meldesystems für antisemitische Vorfälle ist politisch offenbar lange nicht erkannt worden”, sagte Klein, der Schirmherr des Vereins werden soll.
Bisher werden antisemitische Straftaten im “Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität” erfasst: 1.504 solcher Taten waren es 2017, wobei 94 Prozent davon rechtsmotiviert gewesen seien. Diese Einordnung wird allerdings häufig kritisiert: Die Statistik werte im Zweifel jede judenfeindliche Tat als rechtsextrem und zeichne daher kein genaues Bild, sagen Kritiker. Insbesondere werde der Antisemitismus unter Muslimen zu wenig erfasst.
Konfliktforscher Andreas Zick von der Universität Bielefeld etwa, so die Zeitung weiter, habe in Studien herausgefunden, dass 81 Prozent der Befragten meinen, Angriffe gingen eher von muslimischen Personen aus. Hier scheine ein Grundproblem zu bestehen, wenn es darum gehe, Antisemitismus zu messen, so Zick. RIAS könnte hier zuverlässiger sein als bisherige Erhebungen. Entscheidend sei aber, dass es von der Forschung begleitet werde und mit der Polizei abgestimmt werde.
(KNA – sllkp-89-00012)