Unverbindliche Absichtserklärung oder stilles Gesetz? Von Christoph Schmidt (KNA).
Berlin (KNA) Der “Globale Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration”, kurz UNMigrationspakt, dürfte im November für eine heiße Debatte sorgen – und soll im Dezember von den UN-Mitgliedstaaten unterzeichnet werden. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem 34-seitigen Dokument.
Wie kam es zum geplanten UN-Migrationspakt?
Bereits 2016 verabschiedeten die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen die “New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten”, um die Bewältigung der weltweiten Flucht- und Migrationsbewegungen zu verbessern. Der UN-Migrationspakt soll darauf aufbauen. Den Anstoß dazu gab die Internationale Organisation für Migration, die mit der UN assoziiert ist. Im Juli 2018 stimmten alle UNMitgliedstaaten außer den USA dem Text als Entwurf zu. Im Dezember soll er beim Gipfel in Marrakesch endgültig verabschiedet werden. Was sind die wichtigsten Ziele des Paktes?
Der Pakt soll die internationale Zusammenarbeit und gemeinsame Verantwortung in der Migrationspolitik stärken. Er zielt auf die Erleichterung von Einwanderung, etwa durch liberalere Visavergabe und die Schaffung von Informationsangeboten. Zudem will er die rechtliche Stellung von Migranten verbessern, etwa durch “sicheren Zugang zu Grundleistungen”, also Bildung, Gesundheits- und Sozialleistungen des Ziellandes, juristische Unterstützung oder die erleichterte Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Die Aufnahmeländer verpflichten sich zur Achtung der Menschenrechte von Migranten, insbesondere Frauen und Kindern und zu ihrer Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt.
Sie erklären, “alle Formen der Diskriminierung zu beseitigen” und Intoleranz gegenüber Migranten zu verfolgen. Medien sollen zu einer migrantenfreundlichen Berichterstattung angehalten werden.
Weitere Ziele betreffen den Kampf gegen Menschenschmuggel, die Rettung von Migranten wie etwa Bootsflüchtlingen und verstärkte Hilfe für die Herkunftsländer, um Fluchtursachen wie Armut und Gefahren durch den Klimawandel zu bekämpfen.
Wie verbindlich ist der Pakt für die Unterzeichnerstaaten?
Der Text betont das “souveräne Recht der Staaten”, ihre Einwanderungspolitik selbst zu bestimmen. Sie sollen weiterhin über erwünschte und unerwünschte Migration entscheiden können. Formal ist der Pakt völkerrechtlich nicht bindend. Allerdings ist in dem Text wiederholt die Rede davon, dass die Unterzeichner “sich verpflichten”, die genannten Ziele auch umzusetzen, freilich “unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Realitäten, Kapazitäten und Entwicklungsstufen”. Völkerrechtler sprechen von einem “weichen Gesetz”, das zunächst nicht bindend ist, aber durch moralischen Druck auf einzelne Länder sowie die Urteile nationaler und internationaler Gerichte, die sich auf den Text berufen, zu verbindlichen Verpflichtungen werden kann.
Was sagen die Gegner?
Kritiker wie die AfD sehen in dem Pakt ein “verstecktes Umsiedlungsprogramm für Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge” in die westlichen Sozialstaaten. Er lade diese Menschen ein, sich auf den Weg in die reichen Länder zu machen. Sie bemängeln, dass die negativen Aspekte von Migration wie die kulturelle und materielle Belastung der Aufnahmeländer im Vertragstext kaum auftauchten. Stattdessen erhielten allein die Migranten Rechte zugesprochen, die sie dank großzügiger juristischer Mittel auch einklagen könnten. Es wird befürchtet, dass allmählich auf dem Wege solcher gerichtlicher Entscheidungen oder per Umsetzung durch die EU vorbei an den nationalen Parlamenten ein “Völkergewohnheitsrecht” entsteht, dass die Souveränität der einzelnen Staaten aushebelt und ungebremste Einwanderung ermöglicht.
Den verpflichtenden “Kampf gegen Diskriminierung” deuten die Pakt-Gegner als Vorwand, um jede Migrationskritik per Strafverfolgung zum Schweigen zu bringen. Die Verschwörungstheoretiker unter ihnen vermuten hinter dem Abkommen gar den Plan einer demokratisch nicht legitimierten “Weltregierung” zur demografischen Neuordnung des Planeten. Welche Länder wollen sich dem Pakt nicht anschließen?
Nach den USA, die als einziges Land gegen den Textentwurf gestimmt hat, haben bisher Australien, Ungarn und Österreich erklärt, den Pakt nicht unterzeichnen zu wollen. Auch Tschechien und Kroatien werden voraussichtlich nicht dabei sein. Vorbehalte gibt es außerdem in Polen und Dänemark. In der Schweiz machen sich die Abgeordneten der populistischen SVP gegen den Pakt stark. Fraglich ist auch, wie sich das größte Land Südamerikas, Brasilien, in Marrakesch positioniert, wo die Regierung vor Amtsantritt des rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro womöglich kein langfristig wirksames Abkommen dieser Größenordnung mehr unterzeichnet.
Welche Haltung hat die Bundesregierung?
Berlin will den Pakt unterzeichnen. Das Auswärtige Amt kündigte am Freitag eine Offensive gegen “Falschmeldungen” und “irreführende Informationen” an. Die Bundesregierung sieht den Pakt zwar nur als rechtlich nicht bindende politische Absichtserklärung, deren Umsetzung sie jedoch unterstützen wolle. Bis zur Annahme im Dezember mahnte sie eine “ausgewogene und sachliche Debatte” an.
(KNA – sllkm-89-00130)