Historischer Besuch mit kleinem Programm. Von Burkhard Jürgens und Roland Juchem, Vatikanstadt (KNA).
Ein Papstbesuch in Arabien sei vor kurzem noch undenkbar gewesen, so der katholische Bischof Paul Hinder kurz nach Bekanntgabe des Besuches im Dezember. Der Schweizer Kapuziner ist Oberhirte für die Katholiken im südlichen Arabien. Zwar ist Arabien eine islamische Region, aber in den Öl-Emiraten am Golf leben unter den rund zehn Millionen Einwohner rund eine Million Katholiken als Gastarbeiter aus Südasien.
Und so werden aus den Emiraten, aber auch aus dem benachbarten Oman wie sogar aus dem kriegsgeplagten Jemen 120.000 Gläubige erwartet, wenn der Papst erstmals in den Emiraten eine katholische Messe als Massenveranstaltung feiert. Die kostenlosen Tickets werden über die Pfarreien verteilt.
Anlass der Reise vom 3. bis 5. Februar ist eine interreligiöse Begegnung mit dem Titel “Human Fraternity”. Die Konferenz findet am 4. Februar im Founder’s Memorial statt, einem topmodernden, dem Staatsgründer gewidmeten Kulturzentrum an Abu Dhabis Corniche. Das detaillierte Tagungsprogramm ist bislang jedoch ebenso wenig bekannt wie die weiteren Teilnehmer. Einzig Franziskus’ argentinischer Rabbiner-Freund Abraham Skorka verriet im US-Jesuiten-Magazin “America” unlängst, er werde Teilnehmer der Konferenz sein.
Mit der Veranstaltung betonen die Emirate ihren Anspruch, die modernere, aufgeschlossenere Seite Arabiens zu sein. Der Präsident der Emirate, Scheich Khalifa bin Zayed, hat 2019 zu einem “Jahr der Toleranz” ausgerufen. Sein Bruder und De-facto-Regierungschef Kronprinz Muhammad bin Zayed wünschte am 25. Dezember allen Christen weltweit “Frieden und Glück” zum Weihnachtsfest. Er hatte bereits im September 2016 den Papst in Rom besucht.
Vor der interreligiösen Konferenz trifft der Papst mit der islamischen Gelehrten-Vereinigung des “Muslim Council of Elders” zusammen. Die 2014 gegründete Vereinigung mit Sitz in Abu Dhabi will Spaltungen und Fehden innerhalb des Islam überwinden und gegen extremistische Brandstifter eine religiöse Botschaft humaner Werte und der Toleranz verteidigen. Leiter des Rats ist Großscheich Ahmad al-Tayyeb von der Kairoer Al-Azhar-Universität – für den Papst praktisch ein alter Bekannter.
Ort der Begegnung, die als privat charakterisiert wird, ist die Scheich-Zayid-Moschee, das größte islamische Gotteshaus der Emirate. An Prachtentfaltung und Dimensionen kann es mit dem Petersdom konkurrieren; allein das Grundstück übertrifft die Fläche des Vatikanstaats um ein Viertel. 41.000 Menschen finden Platz in der Moschee.
Die große öffentliche Messe im Stadion am 5. Februar sendet auch eine Botschaft an das benachbarte Saudi-Arabien, wo Christen nur hinter verschlossenen Türen das Bibelwort teilen und Abendmahl feiern können. Die Emirate präsentieren sich gern als liberal: Die katholische Josefskirche in Abu Dhabi, heute Sitz des Bischofs, wurde 1965 geweiht, seit 2007 bestehen diplomatische Beziehungen zum Vatikan, 2010 entsandten die Emirate ihre erste Botschafterin an den Heiligen Stuhl.
Eine normale Papstreise wird es dennoch nicht: Zwar wird Franziskus von Kronprinz Muhammad im Präsidentenpalast empfangen. Aber weder wird er – wie sonst üblich – eine Rede vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft halten, noch sind Termine an einer Universität oder mit Jugendlichen geplant. Dabei ließe sich da trefflich über den Wert der Bildung, die Rolle der Frau oder den Auftrag der jungen Generation zum Frieden sprechen. Auch Begegnungen, die Franziskus sonst wichtig sind, etwa mit sozial Bedürftigen oder Seelsorgern, fehlen – wenigstens im offiziellen Programm.
Eine historische Reise mit wenig Programm. Um sie etwas aufzuwerten, wird als ein Hintergrund eine Begegnung genannt, die genau 800 Jahre her ist: das Treffen zwischen Franziskus von Assisi mit dem ägyptischen Sultan Malik al-Kamil in Damiette. Damals, während des fünften Kreuzzugs, sorgte die Begegnung für eine gewisse Entspannung zwischen Abend- und Morgenland. Muslime in Arabien reagierten positiv auf Zeichen, Brücken zu bauen, sagt Bischof Hinder. Dennoch werden sich die konkreten Folgen der modernen Franziskus-Reise noch zeigen müssen.
(KNA – tkllr-89-00137)
Foto: Ashwin Vaswani / Unsplash
Weitere Informationen
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Programm der Papstreise in die Vereinigten Arabischen Emirate
Vatikanstadt (KNA) Papst Franziskus besucht vom 3. bis 5. Februar die Vereinigten Arabischen Emirate. Es ist das erste Mal, dass ein Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche die Arabische Halbinsel besucht. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert das Programm nach den Angaben des vatikanischen Presseamtes. Alle Zeitangaben in Ortszeit (in Klammern Mitteleuropäische Zeit):
Sonntag, 3. Februar 2019
13.00 Uhr: Abflug vom römischen Flughafen Fiumicino nach Abu Dhabi
22.00 Uhr (19.00 Uhr): Ankunft auf dem Präsidentenflughafen in Abu Dhabi. Begrüßungszeremonie
Montag, 4. Februar
12.00 Uhr (09.00 Uhr): Willkommenszeremonie vor dem Präsidentenpalast
12.20 (09:20 Uhr): Offizieller Besuch bei Kronprinz Muhammad bin Zayid im Präsidentenpalast
17.00 Uhr (14.00 Uhr): Privates Treffen mit dem “Muslim Council of Elders” in der Scheich-ZayidMoschee
18.10 Uhr (15.10) Interreligiöse Konferenz im Founder’s Memorial. Rede des Papstes
Dienstag, 5. Februar
09.15 Uhr (06.15 Uhr): Privater Besuch der katholischen Bischofskirche von Abu Dhabi
10.30 Uhr (07.30 Uhr): Messe im Zayed-Sports-City-Stadion. Predigt des Papstes
12.40 Uhr (09.40 Uhr): Abschiedszeremonie am Präsidentenflughafen in Abu Dhabi
13.00 Uhr (10.00 Uhr): Abflug nach Rom
17.00 Uhr: Ankunft auf dem römischen Flughafen Ciampino
(KNA - tklls-89-00059)
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Katholische Kirche in Arabien
Abu Dhabi (KNA) Auf der Arabischen Halbinsel existieren zwei Apostolische Vikariate für Südliches Arabien (Vereinigte Arabische Emirate, Jemen, Oman) und Nördliches Arabien (Bahrain, Katar, Kuwait, Saudi-Arabien). Beide zusammen haben eine Fläche von rund drei Millionen Quadratkilometern und zählen damit zu den flächenmäßig größten Kirchenbezirken der Welt. Die Religionsfreiheit der Christen ist in einigen Ländern des Gebietes stark eingeschränkt, besonders in Saudi-Arabien. Insgesamt leben in den Vikariaten rund dreieinhalb Millionen Katholiken, die von nur etwa 120 Priestern betreut werden.
Einheimische Christen gibt es auf der Halbinsel nicht. Die allermeisten Katholiken sind Gastarbeiter, vor allem aus Indien, Pakistan und den Philippinen, aber auch aus arabischen Ländern wie Libanon und Syrien oder aus Europa. In Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, kommen nach Angaben des Vikariats-Bischofs Paul Hinder (76) am Wochenende regelmäßig mehr als 10.000, an hohen Festtagen 20.000 bis 30.000 Besucher zu den Gottesdiensten in die Kathedrale.
Die kirchlichen Verhältnisse in den Ländern Arabiens sind ebenso verschieden wie der jeweilige Grad an Freizügigkeit, Religions- und Kultusfreiheit. Wegen der großen Distanzen stehen die Christen oft kaum miteinander in Kontakt. Als einendes Band für alle fungieren nicht zuletzt die beiden Bischöfe: der Schweizer Hinder und der Italiener Camillo Ballin (74). Sie haben auch dafür zu sorgen, dass die wenigen Seelsorger gerecht auf die sechs Länder verteilt werden.
Die Arabische Halbinsel, wo der Islam im 7. Jahrhundert entstand, gilt Muslimen als heiliger Boden. Papstreisen dorthin galten noch bis vor kurzem als tabu. Vom 3. bis 5. Februar besucht Franziskus als erster Papst die Halbinsel. In Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate feiert er unter anderem eine Messe, zu der bis zu 120.000 Teilnehmer erwartet werden.
(KNA - tklls-89-00049)
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Kleine Glaubensgeschichte Arabiens
Erst mit dem Öl kehrten die Christen zurück. Von Christoph Schmidt, Abu Dhabi (KNA).
Abu Dhabi (KNA) Seit mehr als einem halben Jahrhundert reisen Päpste um den Globus, und von Anfang an besuchten sie auch islamische Länder. Die Arabische Halbinsel jedoch, wo der Islam im 7. Jahrhundert entstand, war für die Männer in Weiß stets tabu. Der Besuch von Papst Franziskus in den Vereinigten Arabischen Emiraten vom 3. bis 5. Februar gilt deshalb schon jetzt als historisch. Zum ersten Mal in der Geschichte der beiden Religionen wird ein katholisches Kirchenoberhaupt in dieser Weltgegend die Messe feiern und predigen. Appelle zum interreligiösen Dialog und zu Toleranz dürften in Abu Dhabi im Mittelpunkt stehen.
Jahrhundertelang spielten diese Themen auf der Halbinsel schon deshalb keine Rolle, weil es dort gar keine Christen mehr gab. Anhänger Jesu, die nicht zum Islam übertraten, seien aus Arabien zu vertreiben, soll Mohammed laut einer Überlieferung kurz vor seinem Tod im Jahr 632 befohlen haben. Egal ob der Religionsgründer dies wirklich gesagt hat oder es ihm nachträglich in den Mund gelegt wurde – bereits in der islamischen Frühphase lebten zwischen dem Roten Meer und Persischen Golf praktisch keine Christen mehr. Anders als in anderen Teilen der islamischen Welt erhielten sie dort nicht den Status als „Schutzbefohlene“, die gegen eine Sondersteuer und unter strengen Auflagen ihre Religion weiter ausüben durften.
Ohne den Siegeszug des Islam wäre die Arabische Halbinsel vermutlich nach und nach Teil des christlichen Kosmos geworden. In Nordarabien waren große Stammesverbände im sechsten Jahrhundert bereits christianisiert und dienten dem byzantinischen Kaiser als Vasallen. Entlang der spätantiken Handelsrouten nach Indien drang das Christentum weiter Richtung Süden vor. Mohammed selbst begegnete als Karawanenführer vielen Christen und ließ sich von ihnen inspirieren. Davon zeugen Episoden aus teils apokryphen Evangelien im Koran. Ein christlicher Mönch soll laut islamischer Überlieferung das Prophetentum Mohammeds als erster erkannt haben.
Auch im heutigen Abu Dhabi hatte der Jesusglaube offenbar Fuß gefasst: Auf einer Insel vor der Küste entdeckten Forscher in den 1990er Jahren die Überreste eines Klosters, das wohl bis ins 8. Jahrhundert bestanden hat. Schon im Jahr 630 hatten Boten Mohammeds die einheimischen Stämme zum Islam bekehrt. Ihr Glaubensabfall nach dem Tod des Propheten wurde militärisch unterbunden.
Danach dauerte es fast ein Jahrtausend, bis Christen wieder Einfluss auf die Geschicke der Arabischen Halbinsel gewannen. Portugiesen errichteten im 16. Jahrhundert Stützpunkte an deren Südküste. Später folgten die Briten. Doch ihnen ging es am Golf, in Jemen und Oman lediglich um „Protektorate“, um den Seeweg nach Indien zu sichern. Christliche Missionierungsversuche hatten hier wie in allen Teilen der islamischen Welt wenig Aussicht auf Erfolg. Auch Londons Bündnis mit dem Emir von Mekka gegen die Türken im Ersten Weltkrieg folgte nur Machtinteressen und war weit entfernt von religiösen Absichten.
Erst der Ölboom seit den 1950er Jahren veränderte das Glaubensgefüge Arabiens erheblich. Hunderttausende nichtmuslimische Gastarbeiter strömten auf die Halbinsel, vor allem philippinische Katholiken, aber auch Hindus. Allein in den Emiraten leben heute zwei Millionen Inder und eine Million Christen; damit gehört mehr als jeder zehnte Einwohner einer Kirche an. Mit etwa dreieinhalb Millionen Gläubigen stellen die Katholiken, verteilt auf zwei Apostolische Vikariate, die größte christliche Konfession auf der Halbinsel. Betreut werden sie aber gerade mal von rund 120 Priestern.
Dass Papst Franziskus nun die Vereinigten Arabischen Emirate besucht, ist kein Zufall. Das kleine Land ist seit langem religiös duldsamer als die andereren Golfstaaten. Schon 1965 entstand hier die erste katholische Kirche. Heute stehen an Abu Dhabis Küstenstraße Dutzende Gotteshäuser christlicher Konfessionen dicht an dicht – im riesigen Nachbarland Saudi-Arabien gibt es nicht eine einzige Kirche.
Offene Kritik am Islam und christliche Mission ist auch in den Emiraten verboten. Doch ein „Toleranzministerium“ kümmert sich eigens um die Rechte der Nichtmuslime. Der Präsident der Emirate, Scheich Khalifa bin Zayed, hat 2019 als „Jahr der Toleranz“ ausgerufen. Sein Bruder und De-factoRegierungschef Kronprinz Muhammad bin Zayed wünschte am 25. Dezember allen Christen weltweit „Frieden und Glück“ zum Weihnachtsfest. Auch der Muslim Council of Elders hat seinen Sitz in Abu Dhabi. Der Gelehrtenrat setzt sich für einen moderaten Islam ein und wird mit Franziskus Wege für ein besseres Zusammenleben der Religionen besprechen.
(KNA – tkllr-89-00196)