Bonn (KNA) Laut einem von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichten Bericht rechtfertigen etliche junge Muslime eigene antisemitische und menschenfeindliche Einstellungen damit, “dass sie durch die zunehmende Islamfeindlichkeit selbst abgewertet und diskriminiert” würden. Das geht aus einer am Montag in Bonn veröffentlichten Abschlussdokumentation eines Schulprojekts zum Thema Antisemitismus hervor. Projektträger sind der Liberal-islamische Bund und das Ibis Institut für interdisziplinäre Beratung und interkulturelle Seminare.
Das sei “ein höchst bedenklicher” Mechanismus, heißt es in dem Bericht weiter. Mitglieder der Minderheit der Muslime in Deutschland suchten in einer noch kleineren Minderheit “eine Art Sündenbock, um selbst erfahrene Diskriminierung durch Verschwörungstheorien zu erklären”. Die Hilflosigkeit und Widersprüchlichkeit der Haltung zeige sich auch dadurch, dass einige Jugendliche beanspruchten, als Muslime in einer ähnlichen Opferrolle zu sein wie Juden. Daraus folgten dann Forderungen nach einem ähnlichen Solidarisierungsprozess wie mit Juden.
Das Präventionsprojekt “Extreme out – Empowerment statt Antisemitismus” war zwischen 2015 und 2018 an zwei Schulen in Dinslaken und Duisburg-Marxloh umgesetzt worden. Ziel war es, antisemitische Einstellungen bei Jugendlichen mit muslimischer Glaubenszugehörigkeit zu untersuchen.
Das vom Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge geförderte Projekt soll nach Ansicht der Autoren möglichst auf ganz Deutschland ausgeweitet werden. Projektleiterin Lamya Kaddor, Mitgründerin des Liberal-Islamischen Bundes, regte zudem an, die Thematik auch in wissenschaftlichen Studien zu erforschen.
Die Autoren haben in ihrem Bericht Handlungsempfehlungen für Schulen formuliert. Als eines der Ziele beschreiben sie, dass Jugendliche muslimischen Glaubens in Deutschland “als gleichwertige Mitglieder in unserer Migrationsgesellschaft” respektiert werden sollen. Die Anerkennung beginne bei der Sprache. Es handele sich um “deutsche Jugendliche muslimischen Glaubens” und eben nicht um “Türken” oder “Araber”. Die Mehrheitsgesellschaft müsse auch in der Lage sein, Unterschiede innerhalb der muslimischen Gemeinschaft zu erkennen.
Außerdem sei es wichtig, islamfeindliche Erfahrungen junger Muslime ernst zu nehmen. Nur so könne unter ihnen auch ein Einfühlungsvermögen in die Befindlichkeit von Juden entstehen. Zum Abbau von Antisemitismus bedürfe es zudem Begegnungen und weiterführender gemeinsamer Aktivitäten.
(KNA - tkokl-89-00069) Foto: Unsplash