Rom (KNA) Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat sich besorgt über eine neue Judenfeindlichkeit geäußert. Der 20-prozentige Anstieg fremdenfeindlicher und antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr in Deutschland sei ein Zeichen für eine “fortschreitende Enthemmung und Verrohung”, sagte Klein am Dienstag bei einer Veranstaltung in Rom. Es gelte, alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte zusammenzunehmen, um dieser Tendenz entgegenzuwirken.
Kritisch äußerte sich Klein auch mit Blick auf eine Betonung des “jüdisch-christlichen Abendlands”. Dieser Begriff werde oft von “fragwürdigen Gruppen” verwendet, die entweder beanspruchten, mit Antisemitismus nichts zu tun zu haben, oder damit eine Abgrenzung von Muslimen suchten. Dabei werde teils die Geschichte des Antisemitismus in Europa ausgeblendet, teils würden auch Juden ohne Rücksicht auf ihre kulturelle und religiöse Eigenständigkeit vereinnahmt und antisemitische Stereotype auf Muslime übertragen.
Der Antisemitismusbeauftragte warnte, der kulturelle Firnis gegen Judenfeindlichkeit sei womöglich dünner als gedacht. Klein verwies darauf, dass laut Umfragen nur 11 Prozent der Deutschen antisemitische Einstellungen vollständig zurückwiesen. 66 Prozent seien der Auffassung, dass Juden wirtschaftlich besonders erfolgreich seien, 22 Prozent teilten Vorurteile wie “jüdische Raffgier”. Dies zeige, dass antisemitische Stereotype noch immer weit verbreitet seien.
Zugleich betonte Klein, man dürfe sich auf keine Diskussion einlassen, welche Form von Antisemitismus gefährlicher sei, der von rechts oder der von links. “Das führt uns nicht weiter”, so Klein. Der neue Anstieg von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zeige aber, dass die Deutschen auch nach 1945 gegen judenfeindliche Denkmuster nicht immun seien. “Wenn AfD-Politiker eine erinnerungspolitische Wende von 180 Grad fordern, müssen wir dem klar entgegentreten”, sagte Klein. Man müsse sich die “schweigende Mehrheit” der 1930er Jahre vor Augen führen, die damals Judenhass zugelassen habe. Antisemitismus stehe nie für sich allein, sondern sei immer auch mit anderen Ausgrenzungen verbunden.
Mit Blick auf einen israelbezogenen Antisemitismus sagte Klein, vielen sei nicht bewusst, wo legitime Kritik an der Politik Israels zu Antisemitismus übergehe. Eine Grenze sei dort, wo dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen, aber auch, wo “jüdisch” und “israelisch” in eins gesetzt werde. Vielfach scheitere die Bekämpfung von Antisemitismus daran, dass er nicht als solcher erkannt werde, sagte Klein weiter. Als Beispiel nannte er einen Angriff auf ein jüdisches Lokal in Chemnitz, der von der Polizei als einfache Sachbeschädigung verfolgt worden sei. Es sei “noch viel zu tun”, um die Definition von Antisemitismus bei Polizei, Juristen und in der Schule zu verbreiten.
(KNA - tkplo-89-00215) Photo by Andre Hunter on Unsplash