In dieser Woche bricht Papst Franziskus nach Afrika auf. Die Erwartungen an seine Reise nach Mosambik, Madagaskar und Mauritius vom 4. bis 10. September sind nicht nur spiritueller Natur. Die Bewohner Südostafrikas hoffen vor allem auf eine politische, versöhnende Botschaft.
In Mosambik, der ersten Station der Reise, herrscht nach einem blutigen Bürgerkrieg seit 27 Jahren Frieden. Eigentlich. In den vergangenen Jahren jedoch kam es immer wieder zu Guerilla-Anschlägen auf Polizeistationen und Kliniken – und zu etlichen Toten. Anfang August besiegelten die Vertreter der regierenden Partei Frelimo und der oppositionellen Renamo erneut den Frieden. Im Oktober soll gewählt werden. In diesem angespannten Klima trifft Papst Franziskus mit Staatspräsident Filipe Nyusi und weiteren Politikern zusammen.
Und es gebe weitere offene Wunden, für deren Heilung viele auf Franziskus hofften, so der südafrikanische Priester Michael Lapsley. Als Beispiel nennt er die Ermordung des katholischen Priesters Mateus Pinho Gwenjere. Lapsley traf im Juni mit Franziskus zusammen. Er hofft auch auf eine “Entschuldigung” für die historische Rolle der Kirche in Mosambik – denn der Großteil der katholischen Führer habe sich während der Kolonialzeit mit den Besatzern verbrüdert.
Gefordert ist Franziskus zudem bei einem Treffen mit muslimischen Vertretern. Seit zwei Jahren kommt es in der nordmosambikanischen Provinz Cabo Delgado immer wieder zu Anschlägen durch Islamisten mit Dutzenden Toten. Manch einer sieht in Franziskus einen geeigneten Vermittler.
Auch auf Madagaskar, der zweiten Station, lief politisch zuletzt nicht alles glatt. Das Ringen zwischen Präsident Andry Rajoelina und seinen Gegnern bremste die Entwicklung des Inselstaats. Viele Madagassen hoffen, dass der Papst, wie schon bei seiner ersten Afrika-Reise 2015, ein Plädoyer gegen machthungrige Autokraten im Gepäck hat. “Diese Botschaft könnte sich um gute Regierungsführung und den Kampf gegen Korruption drehen”, sagt Ketakandriana Rafitoson, Direktorin von Transparency International Madagascar. Franziskus sei in erster Linie eine “politische Person” und sein Engagement hinreichend bekannt.
Über den akuten Krisen schwebt die alltägliche Armut in der Region. Auf Madagaskar leben mehr als 70 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut, in Mosambik mehr als 60 Prozent. Der ugandische Menschenrechtsaktivist Crispy Kaheru wirft Religionsgemeinschaften in Afrika vor, durch “Sklaverei und Kolonialismus bis hin zu neuen Formen der Entmachtung” mitverantwortlich für die Not des Kontinents zu sein. Zugleich halte die Kirche aber auch die Lösung bereit. “Die katholische Kirche besitzt ausreichend Einfluss und Mittel, um Wandel über ihren Glaubenskreis hinaus anzustoßen”, so Kaheru.
Vergleichsweise wohlhabend ist Franziskus’ drittes Reiseziel, der Inselstaat Mauritius. Er ist zugleich einer der stabilsten Staaten Afrikas. Umso wichtiger ist für die Bewohner Franziskus’ Engagement für Klimagerechtigkeit. Denn laut UNO leidet Mauritius als “kleines Inselentwicklungsland” unter den Folgen von Bodendegradation, Wasserverschmutzung und der Zerstörung von Ökosystemen.
Mit Spannung wartet Afrika auf den Papst. “Sein Besuch ist ein Zeichen dafür, dass der Vatikan das südliche Afrika nicht vergessen hat”, sagt Gail Fowler, Reiseunternehmerin in Kapstadt. Sie geht davon aus, dass etliche Südafrikaner mit Bussen ins benachbarte Mosambik pilgern werden, “um dem Heiligen Vater nah zu sein”. Ihre eigene Reisegruppe hofft, Franziskus auf Mauritius zu sehen. Die Begegnung mit dem Papst, selbst wenn sie nur wenige Sekunden dauere, sei jedes Mal ein “Gänsehautmoment”.
Unterdessen sind die Vorbereitungen in vollem Gange. Auf dem Programm stehen große Messen in den drei Hauptstädten. Auf Mauritius wurde für den erwarteten Zustrom eigens eine neue Straße gebaut. Auf Madagaskar registrierten sich allein in einer Pfarrei mehr als 5.000 Gläubige für die Papstmesse. 10.000 Soldaten werden während des Besuchs für Sicherheit sorgen. “Dieser einzigartige Moment im religiösen Leben der Madagassen wird auf besondere Weise gefeiert”, erklärte Präsident Rajoelina. Er sieht im Papstbesuch einen “Meilenstein” in der Geschichte seines Landes.
(KNA - tkslm-89-00020)
Weitere Informationen zur Reise
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Sant’Egidio-Experte Nelson Moda zur Lage in Mosambik
“Die Menschen sehnen sich nach dauerhaftem Frieden”. Von Roland Juchem (KNA)
Beira (KNA) Vom 4. bis 6. September besucht der Papst das südostafrikanische Mosambik. Ein Friedensschluss für das Land wurde maßgeblich von der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio vermittelt. Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußert sich Nelson Moda, Mitarbeiter von Sant’Egidio in Mosambik, zur Lage im Land.
KNA: Herr Moda, wie ist die Stimmung kurz vor dem Besuch des Papstes?
Moda: Allgemein sind die Menschen erleichtert. Nach zehn Jahren Unabhängigkeitskrieg, 16 Jahren Bürgerkrieg und einer langen weitgehend friedlichen Periode sehnen sich die Menschen nach dauerhaftem Frieden. Der Besuch des Papstes wird daher neue Hoffnung und neue Perspektiven vermitteln. Zudem kann er bei Christen wie bei Nichtchristen das Zusammengehörigkeitsgefühl und Versöhnung stärken.
KNA: Ist das nötig?
Moda: Als afrikanisches Land ist Mosambik anfällig für die Heilsversprechen falscher Propheten. Die Zahl derer, die schnell ein besseres Leben in Wohlstand versprechen, wächst von Tag zu Tag. Für uns Katholiken ist das eine schwierige Situation. KNA: Wen meinen Sie mit “falschen Propheten”?
Moda: Die pfingstkirchlichen Prediger aus Lateinamerika, vor allem aus Brasilien. Sie versprechen schnellen materiellen Wohlstand oder eine eigene Heilung von HIV/Aids. Dann geben etliche Patienten die bisherige medizinische Behandlung auf, nur um diesen Leuten zu folgen. Viele verlieren den Glauben und ihr Geld.
KNA: Der Waffenstillstand zwischen der sozialistischen Regierung der Frelimo und der RenamoGuerilla wurde schon 1992 in Rom unterzeichnet. Warum dauerte es 27 Jahre, bis Anfang August in Maputo der endgültige Friedensvertrag geschlossen wurde?
Moda: Das lag vor allem an der schleppenden Umsetzung der vielen Vereinbarungen, die in Rom getroffen wurden. Eine davon ist die Entwaffnung und Wiedereingliederung der ehemaligen Guerilla in die Gesellschaft. Andererseits hat es seit 1994 in Mosambik regelmäßig Wahlen gegeben und relativen Frieden. Das Abkommen von Rom ist also keinesfalls gescheitert.
KNA: Ist die Entwaffnung der Guerilla inzwischen abgeschlossen?
Moda: Ein wesentlicher Teil des Friedensvertrages, der jetzt am 6. August in Maputo unterzeichnet wurde, dient dazu, diese Entwaffnung nun endlich abzuschließen.
KNA: Welche anderen Hindernisse gibt es für eine endgültige Versöhnung?
Moda: Diese liegen zum Teil im aktuellen Wahlsystem. An sich wurde es gut überwacht. Allerdings halten sich internationale Beobachter meist in Städten auf und gelangen kaum in die entlegenen Teile des Landes. Dort aber ereignen sich die meisten Fälle von Wahlmanipulation, die dann Auslöser gewesen sind für Gewaltausbrüche, die es in den vergangenen Jahren in Mosambik gegeben hat. Das heißt aber nicht, die Demokratie an sich werde nicht akzeptiert.
KNA: Wie kam es überhaupt dazu, dass eine christliche Gemeinschaft wie Sant’Egidio, die sich in Rom um soziale Probleme kümmert, in Mosambik vermittelte?
Moda: Der frühere Erzbischof von Beira, Jaime Pedro Goncalves, traf bei einem Besuch in Rom gelegentlich Mitglieder von Sant’Egidio. Denen erzählte er vom Leid der Menschen im Bürgerkrieg. Sant’Egidio, von denen bis dahin keiner je in Afrika gewesen war, organisierte daraufhin Lebensmittel- und Medikamentenspenden. Als man diese nach Mosambik brachte, kam die Hilfe gar nicht aus den Städten aufs Land zu jenen, die sie am meisten brauchten. Jedes Auto wurde von der Guerilla überfallen. Darauf sagten die Leute von Sant’Egidio: Warum suchen wir nicht zuerst nach Wegen für Versöhnung und Frieden?
KNA: Und wie gelang das?
Moda: Das dauerte. Zunächst gab es 1989 bei der Renamo niemanden, der für die Bewegung hätte sprechen können. Dann ging es ab Juni 1990 um den Verhandlungsort: die Regierung in Maputo wollte nach Südafrika, die Opposition nach Kenia. Am Ende schlugen beide Seiten Rom vor; dort öffnete ihnen Sant’Egidio seine Türen an der Piazza Sant’Egidio in Trastevere. Später kam Unterstützung durch die italienische Regierung und die Bischöfe hinzu.
KNA: Wie ist Ihre Gemeinschaft heute in Mosambik engagiert?
Moda: Sant’Egidio ist in Mosambik offiziell anerkannt. Nach der Vermittlung des Abkommens ging es ab 2002 darum, den Menschen mit HIV/Aids zu helfen. So haben wir etwa Medikation für Infizierte besorgt und junge Menschen über die Krankheit aufgeklärt. Das gehört zur Friedensarbeit dazu,
ebenso wie Bildung vor allem für Mädchen. Als 2016 unter Moderation der EU neuerliche Friedensverhandlungen aufgenommen wurden, saß Sant’Egidio mit am Tisch. Auch während der Unterzeichnung am 6. August.
KNA: Sind die Menschen in Beira und anderen vom Zyklon Idai zerstörten Gegenden sehr enttäuscht, dass der Papst nicht zu ihnen kommt?
Moda: Ich bin aus Beira. Ich und viele andere hier in Beira sind nach wie vor davon überzeugt, dass er zu uns kommen wird, auch wenn das in dem vom Vatikan veröffentlichten Reiseprogramm nicht vorgesehen ist. Es gibt keine Enttäuschung, sondern die allgemeine Überzeugung, dass Beira dem Papst am Herzen liegt und er alles tun wird, um irgendwie nach Beira zu kommen. Und sei es nur für eine Stunde auf dem Flughafen.
(KNA - tkslq-89-00087)
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Das Programm der Papstreise nach Südostafrika
Die einzelnen Stationen
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Mosambik
Maputo (KNA) Das im südöstlichen Afrika gelegene Mosambik ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die einstige portugiesische Kolonie erlangte 1975 ihre Unabhängigkeit, im Jahr darauf brach ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der seinerzeit marxistisch-leninistischen Regierungspartei Frelimo und den Rebellen der Renamo aus. Dieser Konflikt forderte fast eine Million Todesopfer; ein Waffenstillstand wurde erst 1992 mit maßgeblicher Unterstützung der katholischen Gemeinschaft
Sant’Egidio erzielt.
Trotzdem flackerten gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppierungen immer wieder auf. Anfang August dieses Jahres unterzeichneten die inzwischen sozialdemokratisch orientierte Frelimo und die Renamo ein Friedensabkommen. Beide Parteien blieben dessen ungeachtet die wichtigsten politischen Kräfte des Landes. Für den 15. Oktober sind Präsidentschafts-, Parlaments- und Provinzwahlen vorgesehen. Rund um diesen Termin rechnen Beobachter mit neuerlichen Spannungen.
Neben der politischen Dauerkrise hat Mosambik mit Korruption, wirtschaftlichen Problemen und den
Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Zuletzt fegten im März und April die beiden Zyklone Idai und Kenneth über das Land. Überschwemmungen, Sturzfluten und Erdrutsche legten Wasserversorgung und Infrastruktur in vielen Regionen lahm. Mehrere hundert Menschen starben, Hunderttausende wurden obdachlos.
Jüngsten Schätzungen zufolge leben circa 27,2 Millionen Einwohner in Mosambik auf einer Fläche von rund 800.000 Quadratkilometern – das entspricht in etwa der doppelten Größe Deutschlands. Gut 56 Prozent der Bevölkerung sind Christen, darunter 28 Prozent Katholiken. Vor allem evangelikale Freikirchen verzeichnen seit einiger Zeit großen Zulauf. Dazu gehört die aus dem ebenfalls portugiesischsprachigen Brasilien stammende Igreja Universal do Reino de Deus. Mindestens 18 Prozent der Mosambikaner sind Muslime.
(KNA – tkslm-89-00035)
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Madagaskar
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