Liebe Leserinnen und Leser,
eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach hat Mitte November herausgefunden, dass innerhalb weniger Jahre das Vertrauen der Deutschen in die politische Stabilität dieses Landes „geradezu erdrutschartig verfallen“ sei. Das ist ein Weckruf für alle politisch Verantwortlichen, aufzuhorchen, und vielleicht auch eine Erklärung, weshalb die populistischen Stimmen lauter werden und die Polarisierung im Land voranschreitet. Vertrauen besitzt für alle Kontexte eine eminent wichtige Bedeutung, so auch für den interreligiösen Dialog. Denn ohne ein vertrauensvolles Verhältnis der Gesprächspartner zueinander gibt es keinen echten Dialog, keinen Fortschritt und keine konstruktive Atmosphäre für eine tragfähige Zukunft.
Vertrauen ist auch ein Indikator dafür, ob interreligiöse Aktivitäten dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden dienen oder zu Alibiveranstaltungen verkommen, wenn das Wort und das Verhalten nicht zueinander passen. Es ist daher unerlässlich, dass sich alle Akteure im interreligiösen Dialog anstrengen, damit das Vertrauen der Gesprächspartner nicht missbraucht wird oder verloren geht.
Im Vertrauen können wichtige Schritte gemeinsam gegangen werden, die für Menschen über die religiösen Grenzen hinweg von Bedeutung sein können. Als einen solchen Schritt kann die im letzten Jahr in der Schweiz unterzeichnete gemeinsame Erklärung zu Flüchtlingsfragen angesehen werden, die wir in dieser Ausgabe dokumentieren. Vertreter der verschiedenen jüdischen, christlichen und muslimischen Religionsgemeinschaften in der Schweiz wenden sich an die eigenen Gemeindemitglieder, die Verantwortlichen in der Politik und die breite Öffentlichkeit mit fünf Appellen zum angemessenen Umgang mit Menschen, die auf der Flucht sind. Offensichtlich gab es hier eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die die Grundlage für das Entstehen des Textes bildete und ihn zu einem positiven Abschluss brachte. „In einem Klima des stetig wachsenden gegenseitigen Vertrauens und der sich immer mehr vertiefenden Offenheit“, die Erwin Tanner-Tiziani „noch selten erlebt hat, arbeiteten die Mitglieder der Arbeitsgruppe zusammen“. Er, der Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz, schildert die Entstehungsgeschichte in seinem kommentierenden Text, den wir ebenfalls in dieser Ausgabe veröffentlichen, und spricht in diesem Zusammenhang von einem neuen Meilenstein im interreligiösen Dialog in der Schweiz. Mögen viele weitere Beispiele folgen, damit wir ein friedvolles Miteinander von Menschen unterschiedlicher religiöser und nicht-religiöser Traditionen haben.
Im Namen der Mitarbeiter von CIBEDO hoffe ich, dass Sie ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr hatten.
In diesem Sinne viel Freude bei der Lektüre dieses Heftes!
Ihr Timo Güzelmansur
Inhalt
Studien
Erste Schweizer Interreligiöse Erklärung zu Flüchtlingsfragen. Ein Kommentar zur Entstehungsgeschichte
Erwin Tanner-Tiziani
„Behandelt alle Menschen mit Güte!“ Die Bergpredigt in der islamischen Überlieferung
Patrick Brooks
Die Beziehung zwischen Koran und Poesie – ein Gegenmittel zum Fundamentalismus
Tobias Specker SJ
Dokumentation
„Eins sein über alles hinweg, was euch unterscheiden mag“
Ansprache von Papst Franziskus, Maputo, 5. September 2019
Friedenserziehung in einer multireligiösen Welt.
Eine christliche Perspektive Gemeinsame Veröffentlichung des
PCID und des ÖRK, 21. Mai 2019
„Zuversicht, dass es trotz Gewalt und Leid die Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt“
Grußbotschaft der DBK an die Aleviten in Deutschland
Gegenüber ist immer ein Mensch. Interreligiöse Erklärung zu Flüchtlingsfragen Erklärung veröffentlicht durch den
Schweizerischen Rat der Religionen
Berichte
„Dilemma oder Dialog – die einzigen Alternativen der Religionen“ – Stieglecker‑Gedächtnistagung
Brigitte Proksch
Convivenzia 2.0. Christlich-muslimische Summerschool in Andalusien
Anna Berting und Pauline Erdmann
„Ungläubige sind immer die anderen“ – Siebte CIBEDO-Werkstatt
Sarah Delere und Robin Flack
Islam in Frankreich – Forschungsbericht
Amir Dziri
Buchbesprechungen
Frisch, Hermann-Josef: Mohammed für Christen. Prophet und Staatsmann
Christian W. Troll SJ
Linnemann, Carsten/Bausback, Winfried (Hg.): Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland. Wie wir unsere freie Gesellschaft verteidigen
Sebastian Prinz
Literaturhinweise
Zeitschriftenschau
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