Passau/Berlin (KNA) Nach der Enthauptung eines Lehrers nahe Paris durch einen Islamisten warnt der Deutsche Lehrerverband vor einem “Klima der Einschüchterung” auch an Schulen in der Bundesrepublik. “Wir haben die tiefe Sorge, dass auch in Deutschland ein Klima der Einschüchterung entsteht”, sagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger der “Passauer Neuen Presse” (Dienstag). Die FDP kritisierte die Äußerung und rief stattdessen dazu auf, “politischen und religiösen Extremismus an Schulen dringend einzubremsen”.
“Der Druck ist vor allem in Brennpunktschulen mit einem hohen Anteil von Schülern mit einem entsprechenden Migrationshintergrund sehr hoch”, fügte er hinzu. Lehrer würden beispielsweise aufgefordert, Themen wie den Nahostkonflikt oder Israel nicht im Unterricht zu behandeln.
“Lehrkräfte trauen sich an manchen Schulen nicht mehr, einen Film wie ‘Schindlers Liste’ zu zeigen. Sie bekommen Druck von den Eltern, aber auch von Schülern. Da entsteht bei manch einem schon eine Schere im Kopf”, sagte der Verbandschef.
Viele Kollegen hätten wohl auch in Deutschland Angst, beispielsweise in einer Unterrichtsstunde über Meinungs- und Kunstfreiheit auf die Mohammed-Karikaturen zu verweisen. “Davon lassen diese dann lieber die Finger”, so Meidinger. Wenn Lehrer zu politisch und geschichtlich sensiblen Themen Stellung nehmen, müssten sie damit rechnen, Druck zu bekommen.
“Es gibt immer mehr Versuche, Lehrer bei ihrer Aufgabe, Werte und Demokratie zu vermitteln, zu beeinflussen und zu behindern.” Auch die AfD-Meldeportale seien ein Versuch, Lehrkräfte einzuschüchtern und an den Pranger zu stellen. “Werteerziehung und Demokratieunterricht dürfen nicht zur Mutprobe für Lehrkräfte werden”, forderte Meidinger.
Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Thomas Sattelberger, erklärte dagegen, der Mord an Samuel Paty müsse für Bildungsverantwortliche in Deutschland ein Weckruf sein. Wenn der Lehrerverband vor einem “Klima der Einschüchterung” warne, sei das alarmierend. Unterricht dürfe für Lehrer kein “Vabanquespiel” werden. “Wir müssen politischen und religiösen Extremismus auch an Schulen dringend einbremsen”, so Sattelberger. Schulleitungen, Kultusminister und Sicherheitsbehörden seien gefordert. Sie müssten Lehrern bei der schwierigen Aufgabe der Werte- und Demokratievermittlung engagierter den Rücken stärken als bislang. Neben der professionellen Aus- und Fortbildung bei Konfliktbewältigung und Deeskalation sei die Fürsorgepflicht des Staates essenziell.
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Beitragsbild: © Deutscher Lehrerverband