Ein “fundamentales Menschenrecht” gerät zunehmend unter Druck
In vielen Ländern steht es nicht gut um die Möglichkeit, seinen Glauben frei auszuleben. Insbesondere religiöse Minderheiten werden oftmals bedrängt und verfolgt – Tendenz laut Bundesregierung steigend.
Von Alexander Riedel (KNA)
Berlin (KNA) Die Vertreibung der Rohingya in Myanmar, die Unterdrückung der Uiguren in China, die mögliche Todesstrafe für Konvertiten in manchen Staaten oder mehr judenfeindliche Straftaten in Deutschland und Europa: Das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit wird weltweit seit Jahren zunehmend eingeschränkt. Zu diesem Ergebnis kommt der zweite Bericht der Bundesregierung zum Thema, den der Beauftragte für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, am Mittwoch in Berlin vorstellte.
“Religionsfreiheit ist ein fundamentales Menschenrecht”, erklärte Grübel. Mehr als 80 Prozent der Menschen sagten von sich, sie seien religiös. Drei von vier Menschen lebten jedoch in einem Land, in dem ihre Religions- und Weltanschauungsfreiheit eingeschränkt werde. Sie würden verfolgt, diskriminiert oder erlitten Gewalt. Christen seien als größte Glaubensgemeinschaft besonders betroffen von den zunehmenden Einschränkungen. Doch auch Angehörige anderer Religionen wie Muslime, Juden oder Jesiden litten darunter.
Die 208 Seiten starke Analyse befasst sich mit drei Themen eingehender: Blasphemie- und Anti-Konversionsgesetze, digitale Kommunikation und Bildung. In diesen Bereichen sei die Religionsfreiheit aktuell in besonderem Maße eingeschränkt, heißt es.
Laut Bericht gibt es zum Beispiel in mehr als 70 Staaten menschenrechtswidrige Gesetze, die Blasphemie unter Strafe stellen. Oftmals dienten sie dazu, religiöse Minderheiten zu diskriminieren. In fast 100 Ländern gelten zudem Gesetze, die religiöse Gruppen bestrafen, wenn sie versuchen, andere Menschen von ihrem Glauben zu überzeugen. In einem Dutzend Staaten kann Konversion sogar mit der Todesstrafe geahndet werden.
Digitale Kommunikation kann hingegen positive und negative Auswirkungen haben, wie es weiter heißt: Sie könne die Glaubensfreiheit stärken, zugleich nehme allerdings auch religions- und gruppenbezogene Online-Hassrede zu. Als Beispiel nannte Grübel etwa den Konflikt um die muslimischen Rohingya in Myanmar, der durch Hassrede verschärft worden sei.
Neben dem Themenbereich umfasst der Bericht auch Analysen zu 30 Ländern, in denen die Entwicklungen aus Sicht der Bundesregierung im Berichtszeitraum 2018/19 besonders interessant waren. Darunter finden sich viele asiatische und afrikanische Länder, aber zum Beispiel auch Brasilien und die Ukraine. Andere Länder wie Syrien, Jemen oder Libyen, in denen die Religions- und Weltanschauungsfreiheit stark eingeschränkt sind, fehlen, da der Zugang wegen andauernder Kriege und Konflikte schwierig ist.
Beispielhaft nannte Grübel die massiven staatlichen Repressionen gegenüber muslimischen Uiguren in China. Nötig sei hier eine unabhängige Untersuchung der Vereinten Nationen. Auch im Irak sei die Lage religiöser Minderheiten immer noch prekär, da Zehntausende Christen und Jesiden weiterhin in Flüchtlingslagern lebten. Im Sudan machte der Beauftragte dagegen eine positive Entwicklung aus: So sei die Todesstrafe auf Apostasie, den Abfall vom Glauben, abgeschafft und Weihnachten zum Feiertag erklärt worden.
Die Rolle von Religionsfreiheit unterstrichen viele weitere Stimmen aus Politik, Gesellschaft und Kirche: Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, etwa erklärte, die Einschränkung der Religionsfreiheit gehe oft mit der anderer Menschenrechte wie Meinungsfreiheit oder Gleichberechtigung von Frauen einher.
Der katholische Bamberger Erzbischof Ludwig Schick nannte Religionsfreiheit ein “Friedensprojekt”. Wie stets bei diesem Thema betonte der Weltkirche-Bischof der Deutschen Bischofskonferenz, dass sich die Kirche zwar besonders für bedrängte und verfolgte Christen einsetze, dies aber “nicht exklusiv, sondern exemplarisch” erfolge. “Wo Christen bedrängt und verfolgt werden, werden alle anderen auch mit bedrängt und verfolgt.”
Während Grübels eigener Ansatz vor allem auf Dialog – zwischen und auch innerhalb der Religionsgemeinschaften – basiert, forderte die Gesellschaft für bedrohte Völker mehr Einsatz der Bundesregierung. “Das Engagement für Religionsfreiheit darf kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss konkrete Taten folgen lassen”, sagte Direktor Ulrich Delius. Bislang werde das Potenzial nicht ausgeschöpft.
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