“Religionsfreiheit ist kein Menschenrecht zweiter Klasse”
Christliche Konvertiten im Iran müssen versteckt leben, und Muslime werden in Indien für die Ausbreitung des Coronavirus verantwortlich gemacht – die Jahrbücher der IGFM zeichnen ein düsteres Bild der Religionsfreiheit.
Von Johannes Senk (KNA)
Frankfurt (KNA) Zum Tag der Menschenrechte am Donnerstag hat die Bundesregierung ihre Absicht bekräftigt, sich bei außen- und entwicklungspolitischer Zusammenarbeit weiterhin für den Schutz der Menschenrechte, besonders der Religionsfreiheit jedes Einzelnen, einzusetzen. Das sei auch dringend notwendig, argumentiert die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM): Kein anderes Menschenrecht sei aktuell so stark bedroht wie dieses.
Gemeinsam mit der Weltweiten Evangelischen Allianz legte die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch in Frankfurt ihre aktuellen Jahrbücher zur weltweiten Christenverfolgung und Religionsfreiheit vor. Darin kommen sie im Wesentlichen zu zwei Ergebnissen: Zum einen konstatieren sie weltweit einen weiteren Anstieg der Einschränkung der Religionsfreiheit, zum anderen sind die Christen demnach weiterhin die am stärksten verfolgte Glaubensgemeinschaft.
Die Verfolgung und Diskriminierung von Christen sei “sehr vielschichtig”, sagte der Präsident des Internationalen Rats der IGFM, Thomas Schirrmacher. “Es gibt sehr viele unterschiedliche Akteure. In Osteuropa findet sich beispielsweise auch die Diskriminierung orthodoxer Christen durch andere Christen.”
Im Fokus steht laut IGFM in diesem Jahr unter anderem die Situation christlicher Konvertiten im Iran. Muslime, die zum Christentum übertreten, würden in der islamischen Republik von den Sicherheitsdiensten konsequent verfolgt, obwohl das Christentum als Religionsgemeinschaft rechtlich anerkannt sei.
Auch gebe es Unterschiede in der nationalen Akzeptanz verschiedener christlicher Konfessionen. So genieße die katholische Kirche im sozialistischen Kuba eine relativ große Freiheit, während evangelikale Gemeinschaften auf der Insel immer größerem Druck und Bedrohungen ausgesetzt seien.
Ebenfalls ausführlich behandelt wird die bedrohliche Situation für religiöse Minderheiten in China. Neben den Christen seien es hier vor allem die buddhistischen Tibeter und die muslimischen Uiguren, die Opfer staatlicher Repressalien und teilweise in Umerziehungslager geschickt würden.
Daneben werden in den Jahrbüchern aktuelle religionspolitische Kontroversen behandelt. Die türkischstämmige ehemalige Bundestagsabgeordnete Lale Akgün (SPD) wertet etwa die Umwandlung der Hagia Sophia in Istanbul im vergangenen Juli als “Demonstration des Beginns vom islamischen Staat Türkei”.
Auch die Corona-Krise findet im Jahrbuch ihren Niederschlag. So ist in einem Bericht aus Indien die Rede von gewalttätigen Angriffen gegen die muslimische Minderheit, die für die Verbreitung des Virus verantwortlich gemacht wird. Ein umfassenderes Resümee zu Corona-Krise und Religionsfreiheit kündigt der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz beim Bundestag, Uwe Heimowski, für das kommende Jahr an – schließlich sei die Pandemie noch nicht beendet.
Die Freiheit von Religion und Weltanschauung müsse genauso hochgehalten werden wie etwa die Pressefreiheit, betont Herausgeber Schirrmacher. Sie dürfe keinesfalls als “Menschenrecht zweiter Klasse” abgetan werden.
Wie aktuell das Thema ist, zeigt sich laut Schirrmacher auch in der großen Zahl an themenrelevanten Einsendungen aus aller Welt. Diese habe rund 60 Prozent höher gelegen als im Vorjahr. “Damit könnten wir schon fast das nächste Jahrbuch fertig stellen.”
Unter den mitwirkenden Autoren findet sich auch der Bundesbeauftragte für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), mit einem Beitrag zu Religionsfreiheit und Christenverfolgung in Nigeria. Grübel hatte bereits im Oktober, bei der Vorstellung des zweiten Berichts der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit, die Ergebnisse der IGFM weitestgehend bestätigt.
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