Berlin (KNA) Experten warnen vor den Auswirkungen von islamistischer Propaganda im Netz auf Jugendliche. Extremisten setzten verstärkt auf emotionale Themen wie Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und Ohnmacht und nutzten im Windschatten von Protesten gegen Rassismus und rechten Terror jugendaffine Darstellungsformen, etwa auf Instagram oder Youtube. Auch inszenierten sie sich als “moralische Autorität”. Dies ist das zentrale Ergebnis des am Montag in Berlin veröffentlichten Berichts “Islamismus im Netz 2019/20” von jugendschutz.net, dem gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern.
Demnach versuchen Islamisten, innerhalb der Grenzen des Erlaubten zu bleiben. Ihre demokratiefeindliche Haltung zeige sich aber in der Gesamtschau ihrer medialen Aktivitäten. Zwar hätten explizite Inhalte mit dem Niedergang der Terrororganisation “Islamischer Staat” abgenommen, es gebe aber keinen Grund zur Entwarnung, sagte der Leiter von jugenschutz.net, Stefan Glaser. “Islamisten sind im Netz weiter stark präsent, machen ihre Angebote anschlussfähig und tarnen sie als Teil der bunten Webkultur.” Sie instrumentalisierten Terroranschläge wie in Hanau oder die Corona-Pandemie und brächten mit ihren Parolen junge Menschen gegen Menschenrechte und Demokratie auf.
Jugendschutz.net erfasste laut dem Bericht im Jahr 2019 in diesem Bereich 891 Verstöße. In den meisten Fällen habe es sich um die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gehandelt. Mehr als 90 Prozent fanden sich in Sozialen Medien. Das Zentrum leitete 1.649 Maßnahmen ein. In 85 Prozent der Fälle habe durch einen Hinweis an den Internetanbieter eine Löschung oder Sperrung erreicht werden können.
Internetdiensten komme eine besondere Verantwortung zu, sagte Glaser weiter. “Sie müssen unzulässige Inhalte schneller löschen, hier sind einige noch zu zaghaft.” So blieben in Sozialen Netzwerken und Messengern Inhalte und Symbole verbotener Organisationen trotz Meldung bisweilen noch zu lange online.
Kinder und Jugendliche müssten besonders geschützt werden, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). “Verzerrte Weltbilder und demokratiefeindliches Gedankengut können gerade Jüngere beeinflussen und verstören.” Dagegen würden Medienkompetenz und Demokratieerziehung helfen. Giffey warb zugleich für die geplante Reform des Jugendschutzgesetzes, zu der am Montag im Bundestag Experten angehört wurden.
Vorgesehen ist bei der Reform unter anderem, dass Anbieter von Onlinediensten mehr Vorkehrungen treffen müssen, damit Kinder und Jugendliche vor Mobbing, sexueller Belästigung, Nachverfolgung oder Kostenfallen geschützt werden. Außerdem sollen Kinder und Jugendliche einfacher Probleme melden oder sich beschweren können. Halten sich Anbieter nicht an die Auflagen, drohen Bußgelder.
In der Anhörung begrüßten mehrere Experten, dass der Jugendmedienschutz nach 20 Jahren angepasst werden soll. Vertreter von privaten Medien und der Computerspiel-Branche beklagten allerdings, dass die Reform den Jugendschutz komplizierter mache. Dagegen pochte Torsten Krause vom Deutschen Kinderhilfswerk darauf, dass die Durchsetzung von Kinderrechten Vorrang gegenüber Wirtschaftsinteressen genießen müsse. Zudem begrüßte er die geplante Weiterentwicklung der bisherigen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zu einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz.
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