Melissa Rogers kehrt an Spitze zurück
Melissa Rogers übernimmt im Weißen Haus die Aufgabe, die Beziehungen der neuen US-Regierung zu den Glaubensgemeinschaften zu pflegen. Sie reaktiviert eine Abteilung, die zuletzt verwaist war.
Von Thomas Spang (KNA)
Washington (KNA) Die neue Religionsbeauftragte Joe Bidens kehrt in ein Amt zurück, dass sie schon einmal innehatte. An der Spitze des “White House Office of Faith-Based Partnerships” will die Expertin für das Verhältnis von Staat und Kirche an ihrer Arbeit unter Barack Obama (2013-17) anknüpfen. Zur Seite stehen ihr diesmal mit Josh Dickson ein Stellvertreter, der im Wahlkampf die Kontakte zu den Religionsgemeinschaften für Biden managte, und Trey Baker, der sich auf die schwarzen Gemeinden konzentriert.
Biden wiederbelebte das Büro im Weißen Haus mit einem Dekret, das er am Sonntag unterzeichnete. Glaubensgemeinschaften seien “lebensnotwendig bei der Hilfe für benachteiligte Nachbarschaften, zu denen auch Farbige gehören”, beschrieb der gläubige Katholik die Rolle der Kirchen bei der Armutsbekämpfung.
“Es sind nicht Republikaner oder Demokraten, die in dieser Pandemie sterben oder, die ihre Jobs verlieren, Hunger haben oder drohen ihre Wohnungen zu verlieren”, umriss der Präsident das weite Spektrum der Aufgaben des Büros. “Dies sind unsere Nächsten, es sind unsere amerikanischen Mitbürger.”
Deshalb richte er das Büro wieder ein, das in 30 Tagen aktionsfähig sein soll. Dessen Personal habe die Aufgabe, die Zusammenarbeit zu suchen “mit den Führern verschiedener Glaubensrichtungen und Herkunft, die an vorderster Front in ihren Gemeinden tätig sind und uns helfen können, zu heilen, zusammenzukommen und wiederaufzuladen.”
Dass Rogers in das Amt zurückkehrt, wird von Experten als Signal gewichtet, dass dem praktizierenden Katholiken daran gelegen ist, die klaren Grenzen zwischen Kirche und Staat zu beachten. Die zuletzt an der Denkfabrik “Brookings Institutions” tätige Wissenschaftlerin hatte Donald Trump während dessen Amtszeit massiv dafür kritisiert, die Evangelikalen zu bevorzugen.
Der Ex-Präsident umging dafür das von dem Republikaner George W. Bush ins Leben gerufene Büro. Er benannte die umstrittene TV-Predigerin des Wohlstand-Evangeliums, Paula White, zu seiner spirituellen Beraterin und arbeitete eng mit dem “Evangelical Executive Advisory Board” zusammen. Rogers sprach von einem “offenkundigen Versagen und eine irritierende Botschaft, keine vergleichbare Institution für nicht-Evangelikale zu haben”. Dies erweckte den Eindruck, die Regierung bevorzuge Evangelikale vor anderen Gläubigen.
Während konservative Christen sich als einzig legitime Advokaten für die Religionsfreiheit sehen, beharrt Rogers darauf, dass dies von einer verkürzten Sicht ausginge. Das Recht auf freie Religionsausübung sei nicht nur ein Recht von Institutionen, sondern jedes Einzelnen.
Bidens neue Frau an der Spitze des Glaubensbüros erkennt in Angriffen auf Gotteshäuser und Angehörige religiöser Minderheiten einen Angriff auf die Religionsfreiheit. Letztere sei eingeschränkt, wenn “einige Amerikaner das Gefühl haben, sie dürften ein bestimmtes Kleidungsstück nicht tragen – sei es ein Kopftuch oder ein Turban oder ein Yamulke – oder nicht über eine Straße gehen könnten, ohne das Gefühl der Angst zu haben.”
Es treffe einfach nicht zu, “dass nur Konservative ihren Glauben ernst nehmen”, so Rogers vor ihrer Berufung bei einer Diskussion des “Columbia Law Schools Law, Rights and Religion”. Der Expertin für die Trennung von Kirche und Staat geht es darum, den damit verbundenen Prinzipien wieder Geltung zu verschaffen.
In ihrem Buch “Faith in American Public Life” beschreibt sie das Verhältnis zwischen Staat und Kirche im besten Fall als “bedeutungsvolle Unabhängigkeit”. Oder anderes gesagt, die Institution arbeiten zusammen an der Förderung guter Werke und sozialer Aufgaben.
Rogers will dafür die Satelliten-Büros ihrer Abteilung in insgesamt 11 Behörden und Ministerien koordinieren. Es gehe darum, die Kommunikationssilos der einzelnen Behörden zu verlassen, “um sicherzustellen, dass wir die Ungleichheiten in Wirtschaft und Bildung nachdrücklich angehen.”
In jedem Fall ist das ein anderer Ton aus dem Glaubensbüro des Weißen Hauses, der eher an die Traditionen der christlichen Soziallehre anknüpft als an das demonstrative Handauflegen evangelikaler Pastoren.
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