Bonn (KNA) Experten fordern einen verstärkten Einsatz gegen Antisemitismus in Deutschland. Der israelbezogener Judenhass ist nach Ansicht des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, “die verbreitetste Form von Antisemitismus heute”. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch) sagte er, das sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, das in allen Religionen und politischen Milieus vorkomme. “Solche Hetze wird auf Demonstrationen wie im Netz immer offener verbreitet, das konnten wir auch bei den Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sehen.” Langfristig sei integrative Bildung der beste Weg. Jetzt gelte es, Allianzen zu bilden gegen Hass und Gewalt. Er begrüße die “deutlichen Stellungnahmen auch von muslimischen Verbänden deshalb sehr”.
Die Integrationsstaatsministerin, Annette Widmann-Mauz (CDU), rief dazu auf, Antisemitismus mit aller Härte des Gesetzes zu, begegnen “ganz gleich ob er von Rechtsextremisten oder geopolitisch motiviert von Muslimen kommt”. Sie sagte, “wer vor Einrichtungen wie Synagogen und Gemeindehäusern judenfeindliche Parolen brüllt und hetzt, der übt keine politische Kritik, sondern verbreitet üblen Antisemitismus”. In der Präventionsarbeit seit es wichtig, auch einen Fokus auf den Antisemitismus zu setzen, “der nicht von rechts oder links, sondern aus muslimischen Milieus stammt.”
Auch der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Beziehungen zum Judentum, Bischof Ulrich Neymeyr, kritisierte Vorfälle bei antiisraelischen Protesten. “Es ist in Deutschland verboten, Flaggen dieses Staates zu verbrennen – aus gutem Grund”, sagte der Erfurter Bischof im Interview mit dem Kölner Portal domradio.de (Dienstag). Man könne gegen die Politik eines Staates aber demonstrieren und auf andere Weise seinen Unmut äußern. “Üblicherweise geschieht dies vor der Botschaft oder einem Konsulat dieses Landes”, erklärte Neymeyr.
Aber es dürfe nicht vor Synagogen geschehen. “Denn das erweckt ja den Eindruck, als seien die Synagogen in Deutschland Einrichtungen des Staates Israel. Das übersieht völlig, dass die große Mehrheit der Juden, die in Deutschland leben, deutsche Staatsbürger sind”, betonte der Bischof. Sie lebten in einem anderen Staat und man könne ihre Einrichtungen für Religion nicht haftbar machen für die Politik des Staates Israel.
Der Bischof erklärte, dass Deutschland eine besondere Verpflichtung habe, den Antijudaismus zu bekämpfen. “Das ist ganz klar, weil wir gesehen haben, welch grausame Folgen das haben kann.” Deshalb müsse man allen anderen Menschen, die keine Christen sind, sagen, “dass wir in Deutschland diese religiöse Pluralität wollen und dass für uns als erstes der Mensch zählt, der da ist und nicht, welche Hautfarbe er hat oder welche Religion oder welches Geschlecht oder ob er Migrant ist oder Flüchtling”, so der Leiter der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Bischofskonferenz.
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