Kreuz, Halbmond, Davidstern – unter einem Dach bisher einmalig: Vier Frauen – zwei Christinnen, eine Jüdin und eine Muslimin – wollen eine Drei-Religionen-Kita in Berlin bauen. Die Idee, die bereits vor mehr als sieben Jahren entstand, wird nun Wirklichkeit.
Von Nina Schmedding (KNA)
Berlin (KNA) Es ist ein bisschen wie das “House of one” für kleine Leute: Das interreligiöse Gotteshaus, das in Berlins Mitte bereits entsteht, beherbergt eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee unter einem Dach – und dazu einen zentralen Begegnungsraum, um sich einander näher kennenlernen und austauschen zu können.
Ein ganz ähnliches Projekt – nur für Kinder – entsteht jetzt ab 2023 in Berlin-Friedrichshain auf dem Gelände der evangelischen Kirchengemeinde Sankt Markus: Das “Drei-Religionen-Kita-Haus” soll mit einer jüdischen, einer christlichen und einer muslimischen Kita unter einem Dach einen Austausch “auf Augenhöhe” ermöglichen, wie die Projektverantwortlichen am Dienstag in Berlin ankündigten. Jede Kita bietet demnach Platz für 45 Kinder. Geplant sind neben jeweils eigenen Räumen für die drei Religionsgemeinschaften auch “Räume der Begegnung”, in denen die Kinder etwa die unterschiedlichen Feste gemeinsam feiern können.
Ob Jom Kippur, Sankt Martin oder Opferfest: Im Kita-Alltag sollen sie sich gegenseitig zu ihren Festen einladen, sie den Andersgläubigen erklären. Dass “wir viele Sprachen sprechen – und in verschiedenen Sprachen und Traditionen auch zu Gott sprechen”, könne man den Kindern gar nicht früh genug vermitteln, findet die Berliner Rabbinerin Gesa Ederberg, eine von vier Projekt-Initiatorinnen und selbst dreifache Mutter. “Zusammen Aufwachsen ist möglich und notwendig in unserer bunten Stadt.”
Ein ähnliches Projekt gibt es bisher nur in Pforzheim – aber mit anderem Konzept: Die 2020 eröffnete “Kita Irenicus” hat religiös durchmischte Gruppe. Das sei in Berlin ganz bewusst anders gestaltet, erklärt Ederberg. Sie spricht von einer “konstruierten Gleichheit” in dem geplanten Bau, die es erst ermögliche, sich auf Augenhöhe auszutauschen. Für die Kita-Kinder solle es ganz selbstverständlich sein, Freunde aus anderen Religionsgemeinschaften zu haben – auch um später Vorurteilen die eigene Erfahrung entgegensetzen zu können.
“Es geht um Stärkung der eigenen religiösen Identität, um mit anderen ins Gespräch kommen”, sagt auch Iman Andrea Reimann, die als Leiterin des Deutschen Muslimischen Zentrums Berlin die muslimische Trägerseite des Vorhabens koordiniert. Sich trauen, einander Fragen zu stellen – das ist für sie eine der wichtigsten Gründe für die Unterstützung des Projekts. Sie konvertierte vor mehr als 25 Jahren von der evangelischen Kirche zum Islam und weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man eine Religion zunächst von außen kennenlernt.
Bereits 2014 entstand die Idee, jüdische, christliche und muslimische Kinder in einer Kita unter ein Dach zu holen – eine gemeinsame Vision von Reimann und Ederberg. Beide Frauen entwickelten den Gedanken weiter, holten Vorstandsfrau Kathrin Janert vom Evangelischen Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord als Dritte im Bunde mit ins Boot sowie Pfarrerin Silke Radosh-Hinder.
Die Entwürfe für das Haus, das auf einer Grundfläche von rund 400 Quadratmetern gebaut wird, kommen vom Berliner Architekturbüro Stark&Stilb: Es umfasst mehrere Stockwerke, je eines für die Kitas der drei Religionsgemeinschaften sowie Untergeschoss und Erdgeschoss, die Platz für “Räume der Begegnung” bieten sollen. Zudem gibt es ein Dachspielgeschoss, eine Bibliothek und eine gemeinsame Küche. Damit alle – unabhängig von religiösen Regeln – mitessen können, ist das Essen vegetarisch.
Nach bisherigen Planungen ist der Bau auf rund sieben Millionen Euro veranschlagt. Das Kitaausbauprogramm des Senats wird den Angaben zufolge die Räumlichkeiten der drei Religionsgruppen finanzieren. Insgesamt gebe es aber noch eine Finanzierungslücke von 1,4 Millionen Euro, so Protestantin Janert. Hier wolle man die “Politik in die Verantwortung” nehmen. Die rot-grün-rote Koalition hatte ihre Unterstützung des Projekts im Dezember in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich zugesichert.
Bunt solle die Kita sein, offen für alle Arten von Familien, auch für gleichgeschlechtliche Eltern und für nichtreligiöse Familien, so die Initiatorinnen. Dass sie Probleme haben werden, ihr Haus voll zu bekommen, glauben die Frauen nicht: Bewerbungen für die Plätze gibt es schon seit Jahren.
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