Von Nina Schmedding und Birgit Wilke (KNA)
Berlin (KNA) Als Konsequenz aus der Gewalteskalation in der Silvesternacht in Berlin und anderen Städten fordern Psychologen mehr Integrationsarbeit auch von Moscheen. Der Berliner Diplompsychologe Ahmad Mansour und der Berliner Konfliktberater Kazim Erdogan sprachen sich dafür aus, deshalb Moscheevereine stärker in die Pflicht zu nehmen. Der Dortmunder Migrationsforscher Ahmet Toprak betonte, dass es nicht nur in Gruppen mit Migrationshintergrund zu Ausschreitungen komme.
Mansour sagte dem Berliner “Tagesspiegel” (Donnerstag): “Natürlich haben diese Ausschreitungen an Silvester nichts mit dem Islam zu tun”. Viele Moscheevereine vermittelten aber immer wieder Werte, “die im Widerspruch zu unseren Grundwerten stehen”. Weiter sagte Migrationsexperte Mansour mit Blick auf die Moscheen, “wenn ich Eltern immer wieder Angst vor Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit mache und die Werte dieser Gesellschaft ablehne, dann kann ich nicht übermorgen glaubhaft sagen, dass sie gewaltfrei ihre Kinder erziehen sollen”. Moscheevereine sollten die Integrationsarbeit fördern und nicht Ängste schüren, so Mansour. “Das sehe ich aber nicht.”
Erdogan plädierte für mehr effektive Familienarbeit für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Moscheen seien nicht immer bereit, sich stärker für die Integration und Bildung von jungen Muslimen zu engagieren. Er schlug vor, dass Moscheen in ihren Räumlichkeiten außerhalb der Gebetszeiten etwa deutlich mehr Beratung zu sozialen Problemen oder Bildungsarbeit anbieten könnten.
Erdogan, der 2007 in Berlin-Neukölln die bundesweit erste Selbsthilfegruppe für muslimische Männer in Konfliktsituationen gegründet hatte, forderte, für eine bessere Integration auf die Familien zuzugehen. “Wir müssen in die Familien hineingehen und dürfen nicht warten, bis die Eltern kommen. Sie kommen nicht. Auch die jungen Leute kommen nicht von allein. Sie sitzen zuhause und spielen an ihrem Handy”, so Erdogan.
Toprak sagte MDR aktuell, dass sich viele junge Männer abgehängt fühlten und dadurch frustriert und wütend seien. Ausschreitungen gebe es aber nicht nur bei Migranten, sondern auch in anderen Gruppierungen. Gemeinsam hätten diese Gruppierungen oft, dass sie männlich und jung seien und Alkohol konsumierten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach den Krawallen in der Silvesternacht von Problemen mit der gescheiterten Integration von Migranten gesprochen. “Wir haben in deutschen Großstädten ein großes Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden”, sagte Faeser am Mittwoch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Daraus müsse der Rechtsstaat Konsequenzen ziehen.
In der Nacht zum Neujahrstag waren in mehreren deutschen Städten Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen worden, unter anderem mit Böllern und Raketen. Besonders heftig waren die Attacken in einigen Vierteln von Berlin, aber etwa auch in Essen und anderen Städten in Nordrhein-Westfalen. Im Zusammenhang mit den Krawallen hatte die Polizei allein in Berlin 145 Menschen festgenommen. Den Angaben zufolge haben diese 18 verschiedene Staatsangehörigkeiten. Die meisten – 45 Tatverdächtige – seien Deutsche. Danach folgten 27 Verdächtige afghanischer Nationalität und 21 Syrer.
Die Berliner CDU forderte unterdessen vom Innenausschuss, die Bekanntgabe der Vornamen der deutschen Tatverdächtigen. Die Linke warf ihr daraufhin vor, ihnen mit dieser Frage das Deutschsein absprechen zu wollen.
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