Hilfe, mein Sohn ist zum Islam konvertiert. Diese muslimische Organisation da, ist die sauber? Für solche Anfragen gibt es die Islamberatung. In Bayern läuft die Finanzierung dieses Jahr aus. Dafür gibt es neue Ideen.
Von Christoph Renzikowski (KNA)
München (KNA) Die Islamberatung der Eugen-Biser-Stiftung geht in den Export: Fünf Jahre nach dem Start des Angebots in Bayern weitet sie ihre Aktivitäten nach Österreich und in die Schweiz aus. Als Projektleiter wurde der Tübinger Islam und Religionswissenschaftler Hussein Hamdan gewonnen.
Hamdan hat als Mitarbeiter der Akademie des Bistums Rottenburg-Stuttgart laut eigenen Angaben seit 2015 fast 250 derartige Beratungen in baden-württembergischen Städten und Gemeinden durchgeführt. Seine Erfahrung: „Es menschelt überall.“ Und: „Was in der einen Stadt funktioniert, muss in einer anderen noch lange nicht funktionieren.“ Zum Beispiel der Bau einer Moschee mit Minarett.
Islamberatung ist in Deutschland etwas, das es bisher nur in Baden-Württemberg und Bayern gab. In Bayern erhielt die Biser-Stiftung seit 2019 insgesamt 120 Anfragen. Mal ruft die Stadtverwaltung an, eine Kita, oder auch Privatleute melden sich mit einem Anliegen: Auf welchem Friedhof gibt es schon ein muslimisches Gräberfeld? Wie soll ich mit meinem Sohn umgehen, der zum Islam konvertiert ist? Oder eine Klinik will wissen, wie sie in ihrer Palliativstation religiöse Bedürfnisse sterbender muslimischer Patienten ermitteln und darauf reagieren kann.
Islamberatung versteht sich als Brückenbauerin zwischen muslimisch geprägten Lebenswelten und Kommunen. Manchmal ist eine Frage rasch beantwortet. Dann aber gibt es auch Themenkomplexe, bei denen die Beratungskräfte selbst erst einmal recherchieren müssen. Bei juristischen Problemen stehen die Experten vom Zentrum für Islam und Recht in Europa der Universität Erlangen-Nürnberg für Auskünfte bereit.
Stefan Zinsmeister, Vorstandschef der Biser-Stiftung, sagt, Islamberatung sei eine Daueraufgabe, die nur überregional gestemmt werden könne. Das hätten die Erfahrungen seit 2019 deutlich gezeigt. Oft meldeten sich Gemeinden nach einer Beratung erneut, dann aber mit anderen, oft spezielleren Fragen. Durch die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge sei das Thema in den Kommunen nur für kurze Zeit in den Hintergrund gerückt. „Jetzt sprudeln die Anfragen wieder“, sagt er.
Simone Trägner, Leiterin der Islamberatung Bayern, registriert aktuell eine verbreitete „antimuslimische Stimmung“. Insbesondere seit dem Terror-Anschlag der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober fühlten sich Muslime in Deutschland in der Defensive. Dialoge fänden nicht mehr statt, Kommunen hätten Probleme, muslimische Ansprechpartner zu finden. In den Workshops ihrer Stiftung sei große Verunsicherung auf allen Seiten zu spüren. „Es macht aber nichts besser, wenn man die Dinge nicht anspricht“, sagt sie.
Laut Zinsmeister wird die für die Ratsuchenden kostenlose Islamberatung in Bayern noch bis Jahresende von der Robert-Bosch-Stiftung finanziert. Für die Weiterbildungsangebote gebe es eine Förderung vom bayerischen Innenministerium bis einschließlich 2025. Wie es danach mit beiden Aktivitäten weitergeht, ist derzeit offen.
Dafür unterstützt die Bosch-Stiftung ab 1. März für drei Jahre das neue, von Hussein Hamdan geleitete Projekt. Dabei sollen in je zwei ausgewählten Kommunen in Bayern, Österreich und der Schweiz lokale muslimische Aktivitäten zusammengeführt werden und im Idealfall daraus dauerhafte Strukturen entstehen. Das kann eine kommunale Dachorganisation sein oder ein Sozialdienst auf Vereinsbasis.
Von der Begleitung des grenzübergreifenden Projekts erhofft sich die Biser-Stiftung neue Erkenntnisse dazu, welche Faktoren solche Vorhaben gelingen oder auch scheitern lassen. Die beteiligten sechs Kommunen stehen dem Vernehmen nach noch nicht alle fest. Letzte Sondierungen würden aber wohl bis Pfingsten abgeschlossen, heißt es.
Die nach dem katholischen Theologen und Religionsphilosophen Eugen Biser (1918-2014) benannte Stiftung ist in München ansässig. Ihr geht es um die Zukunft des Christentums. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf interreligiöser und interkultureller Verständigung. Biser, der lange an der Münchner Uni lehrte, starb am 25. März vor zehn Jahren. Die Stiftung gibt es seit 2002.
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