Liebe Leserinnen und Leser,
die Katholikentage sind schon lange nicht mehr ausschließlich Begegnungsorte für Gläubige der christlichen Konfessionen, sondern mittlerweile stark interreligiös ausgerichtet. Dies wird ersichtlich, wenn man von den verschiedenen Podien, Werkstattgesprächen, World-Cafés oder interreligiösen Feiern im Programm des 103. Katholikentags in Erfurt liest. Hinzu kam dieses Jahr zum ersten Mal ein christlich-muslimisches Stipendienprogramm, das ein großes Verdienst der Frankfurter Professorin Dr. Anja Middelbeck-Varwick (Fachbereich katholische Theologie) und des Osnabrücker Dr. Esnaf Begić (Institut für islamische Theologie) ist. Es ist ein Versuch, den Funken des interreligiösen Dialogs an die nächste Generation weiterzugeben und durch das gemeinsame Unter wegssein eine dialogische Haltung einzuüben. Die Hauptstadt Thüringens zeigte sich sehr gastfreundlich. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass wir zwar Anfragen zum interreligiösen Dialog erfuhren, aber die Gespräche konstruktiv am Stand von CIBEDO führen konnten, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war.
Während der Katholikentag eine „schöne“ Realität der gesellschaftlichen Pluralität abbildete, ereignete sich gleichzeitig in Mannheim eine schreckliche Tat. Ein Islamist verletzte mit einem Messer sechs Personen; ein Polizist starb infolge der Verletzungen. Eine sinnlose Tat, die sprachlos macht und verheerend für das gesellschaftliche Zusammenleben ist. Genauso wie die Hamburger Demonstrationen für ein Kalifat, die auf die Spaltung der Gesellschaft zielen.
Hier kann in der Tat der interreligiöse Dialog wenig bewirken und es sind die Sicherheitsbehörden gefragt. Eine der wesentlichen Aufgaben des interreligiösen Dialogs ist es aber, Brücken zwischen den Religionen und Kulturen zu bauen, damit ein Weg des Friedens geebnet werden kann. Eben zwischen den Menschen, die willens sind, auch miteinander in gegenseitiger Achtung in Frieden zu leben. Angesichts der aktuellen Herausforderungen formuliert Papst Franziskus diesen Wunsch folglich aus: „[…] dass wir die Nacht des Hasses überwinden, damit dem Willen des Schöpfers gemäß die Sterne die Erde erhellen mögen, und es nicht die von den Waffen verheerte, brennende Erde ist, die den Himmel erglühen lässt! Gott ist Friede und er will den Frieden.“
Der interreligiöse bzw. christlich-islamische Dialog lenkt unseren Blick immer wieder auf die anderen christlichen Konfessionen, auch mit der Frage, aus welcher Haltung heraus der Dialog betrieben wird und welche Erfahrungen gemacht werden. Im letzten Jahr beschäftigte sich die Tagung „CIBEDO-Werkstatt: Theologie im Angesicht des Islam“ mit den Ansätzen der evangelisch-protestantischen Kirchen. Von dieser drucken wir zwei Beiträge in dieser Ausgabe ab: Professor Ralf Wüstenberg (Europa-Universität Flensburg) und Professorin Elisabeth Hartlieb (Universität Marburg) skizzieren evangelische Zugänge zum Islam. Während Hartlieb einen geschichtlichen Überblick und Zugänge vor allem in den Papieren der Evangelischen Kirche Deutschland und der Landeskirchen darstellt, reflektiert Wüstenberg vier spezifisch-theologische Herangehensweisen. Auf Einladung der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Interreligiösen Arbeitsstelle INTR°A bereiste eine interreligiös zusammengesetzte Gruppe aus Nordrhein-Westfalen Birmingham und Leicester,um aus den Beobachtungen zum dortigen interreligiösen Dialog Erkenntnisse für die Dialogarbeit inDeutschland zu gewinnen. Damit führt diese Ausgabe das Anliegen der CIBEDO-Werkstatt fort, evangelische Zugänge zum Islam für die beiden Großkirchen und alle anderen im Dialog fruchtbar zu machen.
In diesem Sinne eine gute Lektüre
Ihr Timo Güzelmansur
INHALT
Studien
Evangelisch-theologische Zugänge zum Islam: Vom reformatorischen Nebenthema zur EKD‑Arbeitsaufgabe
Elisabeth Hartlieb
Evangelisch-theologische Zugänge zum Islam – vier Akzentsetzungen
Ralf K. Wüstenberg
Praktischer Dialog oder diskursiver Dialog? Beobachtungen und Reflexionen zum interreligiösen Dialog in Birmingham und Leicester
Ralf Lange-Sonntag / Achim Riggert / Mathias Schneider
Dokumentation
Botschaft von Papst Franziskus an den arabischsprachigen Nachrichtensender „Al Arabiya“ zum Ende des Ramadan
Vatikanstadt, 12. April 2024
Botschaft zum Ramadan und ´Id al-Fitr des Dikasteriums für den interreligiösen Dialog
Vatikanstadt, 11. März 2024
Grußbotschaft des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zum muslimischen Fastenmonat Ramadan 2024
Bonn, 9. März 2024
Grußbotschaft der Vorsitzenden des Rates der EKD zum Fastenmonat Ramadan
Hannover, 7. März 2024
Grußbotschaft des Bundespräsidenten zum Fest des Fastenbrechens
Berlin, 9. April 2024
Grußwort von Papst Franziskus an die Teilnehmer der interreligiösen Konferenz der Fokolar-Bewegung
Rom, 3. Juni 2024
Berichte
Evangelisch-theologische Zugänge zum Islam. Schwerpunktsetzungen des Dialogs der protestantischen Kirche(n) mit dem Islam.
Tagungsbericht zur 10. CIBEDO-Werkstatt, Frankfurt a. M., 13.–14. Oktober 2023
Nils Fischer
Die historischen Anfänge des Islam und das christlich-theologische Gespräch mit Muslimen.
Online-Symposium von ISRME und PISAI, 15. Februar 2024
Dirk Ansorge
Alles berechnet? Christliche und islamische Theologie digitaler Transformation.
Jahrestagung des Theologischen Forums Christentum – Islam, Stuttgart‑Hohenheim, 3.–5. März 2024
Lukas Kösel
Buchbesprechungen
Grün, Anselm/Karimi, Ahmad Milad: Frieden stiften, Frieden sein
Robin Flack
Mustafa, Imad: „Der Islam gehört (nicht) zu Deutschland“. Islam und antimuslimischer Rassismus in Parteiensystem und Bundestag
Sebastian Prinz
Plesker, Benedikt: Islamische Gefangenenseelsorge. Verfassungsrechtliche Grundlagen und Praxis der gemeinschaftlichen Religionsausübung von Muslimen im Strafvollzug
Markus Schulten
Literaturhinweise
Bücherschau