Berlin (KNA) Der Traumatherapeut Jan Kizilhan sieht den Islam nach eigenen Worten “in einer Übergangsphase”. Viele Menschen in muslimisch geprägten Ländern wünschten sich individuelle Freiheit, sagte Kizilhan im Interview der “Welt” (Montag). Seit seinen Anfängen versuche der Islam, “Strukturen der Säkularisierung, der Trennung von Staat und Religion herzustellen, aber er hat es bis heute nie geschafft”. Heute sähen insbesondere Frauen in der Öffentlichkeit und den Sozialen Medien, welche Möglichkeiten ihnen Frauenrechte geben könnten. “Das wünschen sie sich dann auch”, so Kizilhan.
Es gebe Traditionen, die man achten müsse, aber auch klare Grenzen, sagte der Experte. “Menschen müssen Kulturen oder Religionen, die Gewalt legitimieren, auf den Prüfstand stellen. Die universalen Menschenrechte, wie wir sie verstehen, müssen auch in der islamischen Welt akzeptiert werden.”
Allerdings gehe es bei der Unterdrückung der Frau “nicht immer um den Islam selbst”, erklärte Kizilhan. “Oft handelt es sich eher um patriarchalische Strukturen, die sich aber so stark in den Islam eingenistet haben, dass man oft gar nicht mehr sagen kann: Ist das islamisch? Oder patriarchalisch? Oder beides? Das ist ein Gemisch aus beidem geworden, bei dem auch viele Muslime den Überblick verloren haben.” Ein anderes Beispiel dafür seien die sogenannten Ehrenmorde, die oft als islamisch dargestellt würden. “Wir wissen aber, dass es sich um eine patriarchalische Idee handelt”, betonte der Therapeut.
Kizilhan hatte entscheidenden Anteil am 2015 gestarteten deutschen Hilfsprogramm für Jesidinnen. 2017 startete der Psychologe ein Projekt zur Gewaltprävention für geflüchtete Frauen in Asylheimen mit dem Ethno-Medizinischen Zentrum Hannover. Das Projekt wird vom Bundeskanzleramt unterstützt.
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