Bonn (KNA) Die Aleviten sind eine Glaubensgemeinschaft, die sich im 13. und 14. Jahrhundert in Anatolien aus dem schiitischen Zweig des Islam entwickelt hat. Ihr Name verweist auf Ali, den Vetter Mohammeds und vierten Kalifen, den sie tief verehren. Die rituelle Gottesverehrung des Mehrheitsislam lehnen die Aleviten ab. Vorschriften der Scharia und die fünf Säulen des Islam – etwa die täglichen Pflichtgebete oder das Fasten im Ramadan – sowie die Verschleierung der Frau und andere Aspekte der Scharia spielen für sie keine Rolle. Den Koran legen Aleviten nicht wortwörtlich aus.
Im Mittelpunkt ihrer esoterisch geprägten Lehre, die keinem zentralen Dogma folgt, stehen ethische Aspekte. Sie lassen sich in dem alevitischen Grundsatz zusammenfassen: Beherrsche deine Hände, beherrsche deine Lende (also den Sexualtrieb), beherrsche deine Zunge. Allgemeine Menschenliebe und Toleranz, unabhängig von Rasse oder Religion, spielen ebenfalls eine zentrale Rolle.
Das bedeutendste alevitische Ritual sind die Treffen der Gläubigen in sogenannten Cem-Häusern.
Dabei wird auch Alkohol getrunken, Männer und Frauen nehmen gemeinsam teil. Die häufige Definition der Aleviten als “liberale Muslime” ist jedoch irreführend. Viele Aleviten sehen sich vielmehr als Anhänger einer eigenen Religion. Andere betrachten sich aber sehr wohl als Muslime. Unter strengen Sunniten gelten sie wiederum als Ketzer.
In der Türkei, wo sie nach Schätzungen ein Viertel der Bevölkerung stellen und gerade unter Kurden weit verbreitet sind, waren die Aleviten oft schwerer Verfolgung ausgesetzt. Bis heute werden sie vom türkischen Staat diskriminiert, etwa beim Religionsunterricht an Schulen.
Auch in Deutschland leben mehrere Hunderttausend Aleviten, schätzungsweise mehr als 10 Prozent der muslimischen Bevölkerung. Sie gelten oft als besonders gut integriert. In mehreren Bundesländern sowie in Österreich sind sie eine anerkannte Religionsgemeinschaft.
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