Feministinnen und “Haltungsjournalisten” als nützliche Helfer.
Er fördert Parallelgesellschaften und den Einfluss der Scharia. Dabei setzt der politische Islam auf legale Methoden. In “Operation Allah” warnt Islamismusexperte Ahmad Mansour vor einer Unterwanderung der Demokratie.
Von Christoph Schmidt (KNA)
Bonn (KNA) Wie gefährlich ist der politische Islam für die demokratische Gesellschaft? Folgt man der Linie von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), besteht offenbar kein Anlass zur Sorge. Im September löste sie den von ihrem Amtsvorgänger berufenen “Expertenkreis Politischer Islamismus” wieder auf. Der deutsch-israelische Psychologe und Islamismusexperte Ahmad Mansour hingegen warnt seit langem vor einem naiv-laxen Umgang mit fundamentalistischen Organisationen. In seinem neuen Buch “Operation Allah. Wie der politische Islam unsere Demokratie unterwandern will” fasst er das Phänomen zusammen. Und spart nicht mit Kritik an Politik, Justiz und Medien, denen erfalsche Toleranz und Verharmlosung vorwirft.
Den vorauseilenden Gehorsam nutzt der politische Islam laut Mansour gezielt aus, um freiheitliche Standards auszuhöhlen und Freiräume zu erobern, in denen er strengreligiöse Normen durchsetzt. Der Autor, selbst liberaler Muslim, spricht von einem “Dschihad der Anwälte” und verweist auf die erfolgreiche Anfechtung eines Gesetzes gegen Kinderehen vor dem Bundesgerichtshof. Ziel sei, mit legalen Mitteln Parallelgesellschaften zu verfestigen, die Entstehung eines liberalen Euro-Islam zu verhindern und letztlich den Staat zu islamisieren.
Dabei beherrschten die islamistischen Akteure dessen Sprache perfekt, warnt Mansour. Sie argumentierten laufend mit schönen Begriffen wie Menschenrechte, Toleranz und Religionsfreiheit: “Die politischen Islamisten benutzen Gendersternchen, pflegen Kontakte zu jüdischen Vereinen, lassen sich mit LGBT-Aktivisten fotografieren, nur um am nächsten Tag Prediger einzuladen, die Antisemitismus verbreiten, Gewalt gegen Frauen gutheißen und die Tötung von Homosexuellen rechtfertigen.” Auf diese Weise sei es Organisationen aus dem Dunstkreis der Muslimbruderschaft und türkisch-nationalistischen Moscheeverbänden wie Ditib und Milli Görüs gelungen, zu hofierten Dialogpartnern der Integrationspolitik zu werden, die neben Geld aus Ländern wie Katar und der Türkei sogar Förderung aus Steuermitteln beziehen. Widerspruch gegen ultrakonservative Forderungen konterten diese Gruppen stets mit dem Vorwurf der “Islamophobie” und des “antimuslimischen Rassismus” – eine wirksame Methode der Einschüchterung in einer Gesellschaft, in der wenig verpönter ist als echte oder vermeintliche “Fremdenfeindlichkeit”. Eine fatale Entwicklung, meint Mansour, der wegen Morddrohungen radikaler Muslime seit Jahren unter Personenschutz steht. Ideologisch sieht er keine großen Unterschiede zwischen dem politischen Islam und dem gewalttätigen Dschihadismus. Beide legten den Koran wörtlich aus und wollten die pluralistische Demokratie, Geschlechtergleichheit und Glaubensfreiheit beseitigen. Der legalistische Islamismus agiere jedoch schleichend und mit langem Atem. Mansour sieht diese Variante deshalb als bei weitem größere Gefahr für die liberale Gesellschaft – aber auch als geistiges “Mutterschiff” für jene, die zur Waffe greifen.
Dagegen müsse der Westen seine säkularen Werte endlich offensiv verteidigen und eine ehrliche Debatte über Integrationsdefizite zulassen, fordert er. Stattdessen dominierten in Deutschland linke Identitätspolitik, wohlmeinende Haltungsjournalisten und fehlgeleitete Feministinnen die Debatte, die etwa das Kopftuch als Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung rühmten, ohne den oft kollektiven Zwang dahinter zuzugeben. “Die Islamisten reiben sich indes die Hände.”
Hoffnung macht dem Autor, dass die allermeisten Muslime bisher auf Abstand zu den islamistischen Rattenfängern bleiben. Doch der liberale Islam habe in der deutschen Politik keine Lobby – auch weil er es nicht schafft, eine vernehmbare Interessenvertretung zu gründen. Dagegen verfügen die Islamisten über starke Verbandsstrukturen und dringen damit bei der Politik durch. Mansour hält es durchaus für möglich, dass daraus in der Zukunft eine islamistische Partei erwächst. Erste Ansätze dazu sind vorerst gescheitert.
Das konkrete “Wie” der islamistischen Unterwanderung bleibt in dem Buch eher unterbelichtet. Hier hätte man sich mehr Beispiele gewünscht – etwa zur Durchsetzung bestehender Parteien. Ansonsten liefert Mansour aber einen griffigen Überblick über die Ziele des politischen Islam und das gesellschaftliche Klima, das ihn begünstigt.
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