„Den Weg des Dialogs fortsetzen!“
Auf Einladung von Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzender der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz, fand gestern (4. Dezember 2024) in Frankfurt am Main das jährliche Spitzengespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) statt. Im Mittelpunkt des Austauschs standen der Beitrag der Religionsgemeinschaften zum Zusammenleben in einem demokratischen Gemeinwesen sowie christlich-muslimische Perspektiven auf die seelsorgliche Begleitung von Polizistinnen und Polizisten. Das Gespräch unterstrich die Bedeutung des interreligiösen Dialogs und die gemeinsame Verantwortung von Christen und Muslimen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland.
Bischof Meier begrüßte die versammelten Dialogpartner und erinnerte an den Auftrag der Religionsgemeinschaften in der heutigen Zeit: „Wir stehen als gläubige Menschen in der Verantwortung, unsere Werte für das Allgemeinwohl fruchtbar zu machen und zugleich im Konzert der pluralen Gesellschaft auch auf andere Stimmen zu hören. Die westlichen Demokratien sind heute tiefgreifenden Erschütterungen ausgesetzt. Das Recht auf Religionsfreiheit und die Situation religiöser Minderheiten sind nicht selten ein Seismograf für den Zustand einer Gesellschaft insgesamt.“ Vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen plädierte er für eine Ausweitung der interreligiösen Zusammenarbeit: „Nach dem 7. Oktober 2023 haben sich die Gräben vielerorts vertieft. Mehr denn je kommt es darauf an, Brücken zu bauen. Der katholischen Kirche ist es ein Herzensanliegen, dass sowohl Juden als auch Muslime in unserem Land eine gute Zukunft haben. (…) Lassen Sie uns den Weg des Dialogs fortsetzen! Verteidigen wir gemeinsam die Würde aller Menschen und lassen wir echte Solidarität erfahrbar werden!“
Auch der Sprecher des KRM, Mohamed El Kaada (Zentralrat der Marokkaner in Deutschland), ging auf die Verantwortung der Religionsgemeinschaften ein: „Als gläubige Menschen – unabhängig von unserem religiösen Hintergrund – sind wir aufgefordert, den Dialog und das gegenseitige Verständnis zu fördern. In Deutschland sind wir als Muslime den grundlegenden Werten unserer Religion verpflichtet, die Prinzipien wie Gerechtigkeit, Mitgefühl, Nächstenliebe und den Respekt vor der Würde jedes Einzelnen betonen. Diese Werte sind jedoch nicht ausschließlich dem Islam vorbehalten. Sie sind auch in vielen anderen Glaubensrichtungen wie dem Christentum und weiteren Religionsgemeinschaften verankert. Dies verdeutlicht, dass die Gemeinsamkeiten zwischen uns oft größer sind als die Unterschiede, die uns trennen. Es liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, diese Werte in die öffentliche Diskussion einzubringen und zur Stärkung der Demokratie beizutragen. Eine lebendige Demokratie gedeiht durch Vielfalt und aktive Teilnahme.“
Eine erste Austauschrunde war der Frage gewidmet, wie religiöse Menschen im säkularen Staat Demokratie und gesellschaftlichen Frieden fördern. Der katholische Sozialethiker Prof. Dr. Bernhard Emunds (Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main) hob die Bedeutung christlicher Beiträge zum Gemeinwohl hervor: „Der Einsatz dafür, dass Benachteiligte oder Migranten nicht unter die Räder geraten, wird hierzulande nach wie vor mit dem Christentum und den Kirchen verbunden. Zum gesellschaftlichen Frieden haben die Kirchen vor allem durch soziale Initiativen und durch ihr Engagement zum Auf- und Ausbau des Sozialstaates beigetragen. In der Gegenwart sind sie durch ihre Wohlfahrtsverbände eine wichtige Stütze dieses Sozialstaats.“ Prof. Dr. Idris Nassery (Universität Paderborn) wiederum erläuterte aus Sicht der islamischen Theologie: „Demokratie lebt von der Fähigkeit, zuzuhören und sich transformieren zu lassen – eine Haltung, die durch religiöse Praktiken wie die dialogische Natur des Korans oder die ethische Verantwortung des Menschen als ‚Khalifa‘ vertieft werden kann. Das ‚hörende Herz‘ ist nicht nur ein religiöses, sondern ein gesellschaftliches Prinzip, das uns zeigt, wie Resonanz den Grundstein für Verständigung und eine gemeinsame Zukunft legen kann.“
Im zweiten Teil nahmen die Teilnehmer die Seelsorge als wesentliche Aufgabe der Religionsgemeinschaften in den Blick. Der Fokus lag dabei vor allem auf pastoralen Angeboten für Menschen im Polizeidienst. Während sich die Anfänge einer institutionalisierten Polizeiseelsorge der Kirchen bereits auf die Zeit der Weimarer Republik zurückführen lassen, stellt die Entwicklung von Seelsorgeformaten für muslimische Polizisten in Deutschland ein vergleichsweise neues Arbeitsfeld dar. In der Diskussion wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Angebote der kirchlichen Polizeiseelsorge grundsätzlich allen Menschen unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit offenstehen, auch Musliminnen und Muslimen. Gleichzeitig wurde aber auch der Bedarf nach einer eigenen islamischen Polizeiseelsorge artikuliert. Über die strukturellen Rahmenbedingungen für solche Angebote wird man sich im Gespräch mit den zuständigen staatlichen Stellen verständigen müssen. In inhaltlicher Hinsicht hingegen bieten sich auf dem Feld der Polizeiseelsorge Möglichkeiten für einen vertieften Austausch zwischen Christen und Muslimen.
Hintergrund
Dem 2007 gegründeten Koordinationsrat der Muslime (KRM) gehören aktuell die folgenden fünf Verbände an: Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IRD), Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD) und Zentralrat der Marokkaner in Deutschland (ZRMD).
Von katholischer Seite nahmen am diesjährigen Treffen neben Bischof Dr. Bertram Meier auch Weihbischof Dr. Karlheinz Diez (Fulda), mehrere Mitarbeiter und Berater der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog, das Team der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) sowie einige diözesane Dialogbeauftragte teil. Zu den muslimischen Teilnehmern gehörten – neben KRM-Sprecher Mohamed El Kaada (Generalsekretär des ZRMD) – Burhan Kesici (Vorsitzender des IRD), Dr. Muharrem Kuzey (DITIB-Vorsitzender), Abdassamad El Yazidi (ZMD-Vorsitzender), Mensur Halili (Vorsitzender der UIAZD) und weitere Vertreter der fünf Verbände.
Die letzte Begegnung zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem KRM fand am 8. November 2023 in den Räumlichkeiten der Großen Moschee Langen statt. Die katholischen und muslimischen Dialogpartner haben vereinbart, dass sie sich jährlich als Gastgeber für das Spitzentreffen abwechseln.
Grußwort von Bischof Dr. Bertram Meier findet sich hier
Quelle: Deutsche Bischofskonferenz