Beirut (KNA) Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat im Nahen Osten zu einer größeren Kompromissbereitschaft aufgerufen.
“Ich weiß, dass es nicht alle Beobachter so sehen, aber für mich liegt der Weg in eine gute Zukunft des Nahen Ostens gerade nicht in der Zuspitzung und Polarisierung”, sagte Steinmeier am Dienstag vor Studenten an der Libanesischen Universität in Beirut, an der ihm ein Ehrendoktor verliehen wurde. Steinmeier appellierte in seiner Rede an alle Akteure in der Region, Spannungen abzubauen und Wege für den notwendigen Ausgleich zu finden. Die Rede kam zu Abschluss seiner Reise nach Jordanien und in den Libanon, deren Schwerpunkt auf der Flüchtlingsfrage sowie auf den Konflikten im Nahen und Mittleren Osten lag. In beiden Ländern sprach Steinmeier mit Regierungsvertretern. Im Libanon traf er auch mit Vertretern der 18 im Land anerkannten Religionen zusammen und lobte den Vorbildcharakter des “Religionspluralismus” und friedlichen Zusammenlebens.
Der Libanon leide unter den Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, führte Steinmeier in seiner Rede weiter aus. Er ging dabei auch kritisch auf die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ein, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Auch in Deutschland gebe es viele Zweifel, ob diese “einseitige Anerkennung” zum Frieden im Nahen Osten beitrage, sagte er. Hinzu kämen die Auswirkungen des Syrien-Kriegs, in dem es wenig Hoffnung auf eine baldige friedliche Lösung und eine mögliche Rückkehr für syrische Flüchtlinge gebe. All diese Spannungen bedrohten das “fein gesponnene Netz der unvollkommenen, aber friedensbewahrenden Kompromisse” im Libanon, sagte Steinmeier. Deutschland wisse, was der kleine Staat und das Nachbarland Jordanien für die syrischen Flüchtlinge leisteten, sagte Steinmeier, der in Jordanien auch ein Flüchtlingslager mit 36.000 syrischen Flüchtlingen besucht hatte, und werde sich weiter für eine friedliche Lösung in Syrien einsetzen.
“Der Impuls dazu aber wird aus der Region selbst kommen müssen”, so der Bundespräsident. Beide Länder haben zusammen rund 1,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. In einem Land, in dem 18 christliche und muslimische Religionsgemeinschaften zusammenlebten, müsse der Brückenschlag gelingen. “Hier leben und streiten Fromme mit Säkularen, Muslime und Christen, Sunniten, Schiiten, Drusen, Maroniten und Chaldäer, Konservative und Progressive, Rechte und Linke seit Tausenden Jahren.” Sicher werde die friedliche Akzeptanz auch immer wieder infrage gestellt oder verletzt. “Aber nur wo ein friedliches Nebeneinander gelingt, kann es auch ein Miteinander geben.” Dabei sei die Fähigkeit zu Kompromissen keine Selbstverständlichkeit – auch in Deutschland nicht. Manche stellten gerade in der heutigen Zeit sogar leichtfertig den Wert von Kompromissen infrage und redeten autokratischen Herrschaftsformen das Wort. Hier seien politisch Verantwortliche auch in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft gefragt, Brücken zu bauen – national und bilateral.
(KNA – sklnk-89-00125)