Seit jeher geht China mit großer Härte gegen die Uiguren vor. Schwindende Toleranz gegenüber Religionen. Von Stefanie Ball, Peking (KNA).
Die Kirche und das Kreuz seien von der nahegelegenen Autobahn aus “zu sichtbar”, vorbeifahrende Autofahrer könnten von den christlichen Symbolen und dem Gebäude abgelenkt werden, erklärten die chinesischen Behörden in der Provinz Hebei. Zuerst wurde das Kreuz vom Kirchturm entfernt, dann die gesamte Kirche abgerissen. Die Behörden behaupteten zudem, die Kirchengemeinde sei nicht im Besitz der notwendigen Baugenehmigungen. Die Gemeinde hingegen führte an, dass das Gebäude mit Einverständnis der Religionsbehörde gebaut worden sei. Doch dafür war es schon zu spät.
So wie der Kirche im Dorf Shenliu erging es in den vergangenen Monaten zahlreichen Kirchen in China. Das China-Zentrum in Bonn hat einige Fälle in seinem aktuellen Report zur Situation der Religionsfreiheit zusammengetragen. Neben der gezielten Zerstörung von Kirchen würden religiöse Symbole von der Außenseite von Häusern entfernt, Priester gezwungen, in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, Kinder und Jugendliche von Gottesdiensten ausgeschlossen, für den Bau neuer Kirche strengere Regularien erlassen, die Religionsbehörden dazu angehalten, in permanenter “Arbeit”, die Gläubigen “anzuleiten” und zu “überprüfen”.
Religionen sind zwar in China explizit erlaubt, das gilt aber nur für die offizielle Staatskirche, die der Religionsbehörde und damit der kommunistischen Partei unterstellt ist. Daneben existiert – bis vor kurzem noch relativ ungestört – die sogenannte Untergrundkirche, wo sich Gläubige versammeln, die sich nicht dem Religionsdiktat aus Peking unterordnen wollten.
Seit Staats- und Parteichef Xi Jinping dort das Sagen hat, haben sich die Spielräume für die Zivilgesellschaft aber immer weiter verengt. Menschenrechtsanwälte, Bürgerrechtler, Nichtregierungsorganisationen, vor allem die aus dem Ausland, und Religionsgemeinschaften sind zuletzt stark unter Druck geraten. In China wurde früher viel in der Grauzone operiert, wirklich erlaubt war es nicht, aber verboten hat es de facto auch niemand. Die Religionsbehörden trafen sich mit den Untergrundpriestern zum Tee und versuchten sie zu überzeugen, sich doch der offiziellen Kirche anzuschließen. Die Priester lehnten freundlich ab – und jeder ging seiner Wege. Inzwischen gilt immer öfter das Diktat der “Nulltoleranz”.
Besonders hart trifft das die Uiguren. Seit jeher drangsaliert Peking die muslimische Minderheit, Schauplatz der Auseinandersetzungen ist die Provinz Xinjiang im äußersten Nordwesten Chinas, wo das Turkvolk fast die Hälfte der Bevölkerung stellt. Als Rechtfertigung für das rigide Vorgehen führt das kommunistische Regime den Kampf gegen den Extremismus an. Zuletzt wurden die Maßnahmen immer drastischer: Bärte, Schleier, religiöse Hochzeits- und Beerdigungszeremonien, Bücher und Lehrmaterial in uigurischer Sprache – alles wurde verboten. Studenten wurden aus dem Ausland zurückbeordert, die Pässe aller Uiguren eingezogen, wer das Land verlassen will, muss einen Antrag stellen.
Wie geheime Dokumente der kommunistischen Partei belegen, die “China Cables”, ein Zusammenschluss von Journalisten, jetzt veröffentlichte, werden bis zu eine Million Uiguren in Internierungslagern festgehalten, monatelang. Die Unterlagen zeichnen ein schockierendes Bild eines Überwachungsstaates, der mit großer Härte und Strategie versucht, die Kultur einer Minderheit auszulöschen. Peking hatte die Existenz dieser Lager lange bestritten und erst vor kurzem eingeräumt, dass es sie gibt, gleichzeitig aber erklärt, die Menschen hielten sich dort freiwillig zu “Bildungszwecken” auf. Laut Radio Free Asia soll es 1.400 solcher Lager geben, und die Menschen müssten teils Zwangsarbeit verrichten.
Warum die internen Dokumente überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt sind, darüber kann nur spekuliert werden. Womöglich steht ein Machtkampf innerhalb der kommunistischen Partei dahinter. Xi hat sich als Paramount-Leader, als allmächtiger Führer auf Lebenszeit, installiert. Das gefällt nicht allen. Ein internationaler Aufschrei über erhebliche Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang – neben dem Unruheherd Hongkong, wo seit Monaten für mehr Demokratie demonstriert wird – könnte, so das Kalkül, auch Xi destabilisieren.
© KNA. Alle Rechte vorbehalten. (KNA - tllmq-89-00044)