Berlin (KNA) Der Extremismusforscher Peter Neumann warnt vor einem Comeback der Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) in Afrika und Afghanistan. Der IS sei zwar geschwächt, doch er existiere weiter, schreibt der in London lehrende Wissenschaftler in einer neuen Ausgabe des am Wochenende aus Berlin erscheinenden Hintergrunddienstes “Der Hauptstadtbrief”. Afghanistan und Mosambik seien neue Brandherde.
Zwar sei die Terrorwelle von 2015 bis 2017 mit Hunderten von Toten und dramatischen Anschlägen in großen europäischen Städten vorüber, so der Terrorismusexperte vom Londoner King’s College. Doch der IS habe mittlerweile neue Schlachtfelder für sich entdeckt. Er tauche dort auf, wo es chaotische Bürgerkriege und religiöse Spannungen gebe, Regierungen die Kontrolle verloren hätten und sich der IS als brutale Ordnungsmacht positionieren könne.
Eine wichtige Rolle spielten dabei die Auslandskämpfer, die in Syrien und dem Irak gekämpft hätten, nach Zusammenbruch des Kalifats in ihre Heimatländer zurückgekehrt seien und jetzt ihre Kampferfahrung an die eigene Bevölkerung weitergeben, warnte der Terrorismusexperte.
Er verwies auf die derzeitigen Friedensverhandlungen in Afghanistan, mit denen sich die Lage dramatisch verändert habe. Der IS fasse dort zunehmend Fuß, da junge, häufig ultraradikale Kommandanten der Taliban von Frieden nichts wissen wollten, die Zentralregierung schwach sei und Trumps Regierung bereits mit dem Rückzug amerikanischer Truppen begonnen habe.
Ähnlich wie in Westafrika durch die Terrorgruppe Boko Haram, habe sich im mehrheitlich muslimischen Norden Mosambiks durch die Expansion des IS der Konflikt in kurzer Zeit zu einem der größten in Afrika entwickelt – nicht zuletzt, weil er sich in Nähe der größten Erdgasvorkommen des Kontinents abspiele. Zuletzt habe der IS einen der wichtigsten Häfen in der Region erobert. Die Regierung in Maputo habe das Problem erkannt, agiere aber hilflos.
Ähnlich äußerte sich der Politik- und Islamwissenschaftler Michael Lüders. Der IS habe seinen Zenit hinter sich – das bedeute aber nicht, dass die entsprechenden Kräfte besiegt seien, sagte der Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft am Freitagabend bei einer Online-Veranstaltung der Evangelischen Akademie im Rheinland.
Radikales Gedankengut entstehe nicht aus dem Nichts und nicht aufgrund “psychischer Problemlagen”, betonte Lüders. Vielmehr seien Millionen von Menschen ohne Perspektive und lebten von einem Tag zum anderen, insbesondere in Syrien und im Irak, aber auch im Jemen und in Libyen. “Wenn Menschen nichts mehr zu verlieren haben, neigen sie zur Radikalität”, so der Forscher.
© KNA
Beitragsbild: Peggy und Marco Lachmann-Anke via Pixabay