Lindau (KNA) Ohne Berücksichtigung des Themas Religion ist nach Ansicht deutscher Botschafter in Afrika dort keine nachhaltige Arbeit von Diplomaten und Nichtregierungsorganisationen möglich. “Traditionelle religiöse Führer spielen eine Schlüsselrolle für die Lösung von Problemen”, sagte Corinna Fricke, deutsche Botschafterin in Kamerun und der Zentralafrikanischen Republik, am Donnerstag in Lindau. Die religiösen Führer seien oft die einzige Autorität. Um soziale Projekte umsetzen zu können, brauche es ihre Unterstützung. “Dabei benötigen sie aktive Rollen, damit sie auch als Rollenmodel für ihre Gesellschaft wirken können.”
Eine besonders große Herausforderung für Afrika sei der demografische Wandel, ergänzte Fricke. So könnte sich etwa die Bevölkerung Kameruns bis 2050 verdoppeln. Dafür müsse vor allem die Infrastruktur in den Bereichen Bildung und Gesundheit ausgebaut werden.
Fricke äußerte sich bei der “Frauen, Glaube und Diplomatie”-Konferenz. Diese wird von der nach eigenen Angaben weltgrößten interreligiösen Nichtregierungsorganisation “Religions for Peace” (RfP) veranstaltet. Die seit Dienstag laufende Versammlung dauert noch bis Freitag. Dabei kommen laut RfP rund 600 Menschen aus etwa 90 Ländern zusammen, um neue Wege zur Förderung des interreligiösen Dialogs zu suchen – coronabedingt größtenteils virtuell.
Dirk Lölke, deutscher Botschafter in Angola, betonte, religiöse Führer übernähmen eine Scharnierfunktion zwischen Regierung und Zivilgesellschaft. So hätten die Bischöfe im christlich geprägten Angola einen sehr guten Ruf. Diesen nutzten sie, um die Gesellschaft in schwierigen Wirtschaftslagen zum Zusammenhalt oder in der Corona-Krise zum Befolgen der Schutzmaßnahmen aufzurufen.
RfP-Generalsekretärin Azza Karam begrüßte die Äußerungen der Diplomaten. Es sei das erste Mal, dass sie von Botschaftern so deutlich eine Anerkennung des Wertes der Zusammenarbeit mit Glaubensvertretern höre. Karam fügte hinzu, die Nähe von religiösen und politischen Führungen müsse gleichwohl auch kritisch betrachtet werden. Das gelte zunehmend, da entsprechende Verbindungen stärker würden, etwa in den USA. “Da müssen wir sehr aufmerksam sein.” Dies sei auch deshalb wichtig, weil religiöse Führer oft “territorial” agierten. Für einen starken globalen Zusammenhalt seien aber Brücken besser als Exklusivität.
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