Berlin (KNA) Gewaltlegitimierende Verse in religiösen Schriften können laut einer Studie die Unterstützung für die Tötung von Glaubensfeinden steigern. Nach einer am Freitag in Berlin veröffentlichten Erhebung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) gilt dies vor allem für Muslime, aber auch Christen und Juden seien für derartige Botschaften empfänglich. Entscheidend sei dabei eine fundamentalistische Glaubensauslegung.
Für die Studie fragte das WZB nach eigenen Angaben 8.000 Christen, Muslime und Juden in sieben Ländern (Deutschland, USA, Zypern, Libanon, Israel, palästinensische Gebiete und Kenia), ob sie tödliche Gewalt gegen Glaubensfeinde für gerechtfertigt hielten oder nicht. Der Hälfte der Befragten wurde die Frage unvermittelt gestellt, die übrigen bekam zuerst ein Zitat aus der Bibel, dem Koran oder der Thora vorgelegt, in dem Gewalt gegen vermeintliche Glaubensfeinde gutgeheißen wird.
Dabei zeigte sich laut Erhebung, dass der Verweis auf gewaltlegitimierende Schriftstellen die Unterstützung für tödliche Gewalt signifikant steigere. Der Effekt sei unter Juden und Christen aber schwächer ausgeprägt als unter Muslimen. Über alle sieben Länder gerechnet unterstützten demnach 9 Prozent der christlichen Gläubigen Gewalt ohne und 12 Prozent mit vorherigem Bibelzitat. Unter jüdischen Gläubigen waren es 3 ohne und 7 Prozent mit Thorazitat. Unter Muslimen befürworteten 29 Prozent Gewalt gegen Glaubensfeinde ohne und 47 Prozent mit vorangehendem Koranzitat.
In Deutschland lagen diese Zahlen laut Studie erheblich niedriger: Hier lag unter Christen die Gewaltunterstützung bei 2 Prozent ohne und 3 Prozent mit Bibelzitat; unter Muslimen bei 5 ohne und 16 Prozent mit Koranzitat.
“Der wichtigste Grund für die Unterschiede zwischen den drei Religionen ist der größere Anteil muslimischer Gläubiger, die einer fundamentalistischen Glaubensauffassung anhängen”, erläuterte das WZB. Fundamentalistische Gläubige kennzeichne, dass sie die heiligen Schriften ihrer Religion wörtlich nähmen und auch in der Gegenwart für unverändert gültig hielten.
WZB-Direktor Ruud Koopmans mahnte: “Religiöse Ursachen und Motivationen müssen ernst genommen werden. Gewalt darf nicht nur auf sozioökonomische und psychologische Ursachen reduziert werden.” Die Aufgabe religiöser Führer und Verbände müsse sein, fundamentalistischen Glaubensauslegungen aktiv entgegenzutreten und für eine Interpretation zu werben, die den historischen und gesellschaftlichen Kontext beachte.
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