Fromme Pilgerreise an die Frontlinie des Nahost-Konflikts
Es war eigentlich vor allem eine fromme Pilgerreise – aber der Papst betrat mehrfach politisches, ökumenisches und interreligiöses Neuland. In Syrien besuchte er am 6. Mai 2001 als erster Pontifex auch eine Moschee.
Von Johannes Schidelko (KNA)
Vatikanstadt (KNA) Zum Jubiläumsjahr 2000 wollte der Reise-Papst Johannes Paul II. als Pilger den Spuren der Bibel folgen: vom Moses-Berg Sinai über die Jesus-Stätten im Heiligen Land bis nach Damaskus, wo der Christen-Hasser Saulus bekehrt und zum Völkerapostel Paulus wurde. Es sollten weder Staatsbesuche noch Pastoralreisen sein. Aber gerade die Pilgerfahrten eröffneten dem Pontifex vor 20 Jahren Zugänge, die ihm in der verminten politischen Region anders nicht möglich waren.
Wie zuvor in Kairo, Amman, Tel Aviv, Jerusalem und Bethlehem konnte sich der Pilger aus Rom auch in Damaskus nicht auf eine meditative Mission beschränken. Im einzig verbliebenen arabischen “Frontstaat” gegen Israel war für ihn die Politik omnipräsent und unausweichlich.
Es begann mit der offiziellen Begrüßungszeremonie, als der junge, damals noch als Reformer geltende Präsident Baschar al-Assad die Gewalt von Israelis gegen Palästinenser mit dem Verrat an Jesus Christus verglich. Der Vatikansprecher distanzierte sich. Umgekehrt wurde die Forderung des Papstes nach Einhaltung des Völkerrechts im Nahen Osten als Kritik an Israel gedeutet – was der Sprecher offen ließ.
Ein Höhepunkt der Reise war der Besuch an einer der heißesten Grenzen der Erde, auf den Golan-Höhen. In den Trümmern der orthodoxen Kirche der Geisterstadt Quneitra, die Israel vor der Rückgabe an Syrien weitgehend gesprengt hatte, sprach der Papst ein Friedensgebet.
“Historisch” wurde die 93. Auslandsreise durch den ersten Besuch eines Papstes im Innenraum einer Moschee am 6. Mai 2001. In der Omajaden-Moschee in der Altstadt von Damaskus – unweit der Breiten Straße, wo sich Paulus taufen ließ – rief er Christen und Muslime zu gegenseitigem Respekt und Toleranz auf. Dialog und nicht Konflikt solle das Verhältnis zwischen den beiden Religionen bestimmen. Niemals dürfe Religion Hass und Gewalt fördern oder rechtfertigen.
Der als dialogoffen geltende syrische Groß-Mufti Ahmad Kuftari, damals 85, begrüßte seinen Gast freundlich. Unterstützt von seinem Sekretär zog der Papst die Schuhe aus. Zusammen mit dem Scheich – beide auf ihren Stock gestützt – betrat er den Gebetsraum, der an der Stelle der 706 abgerissenen Johannes-Basilika errichtet wurde. Ziel war das Monument für Johannes den Täufer. Unter einem kleinen Kuppelbau wird die Kopfreliquie des Mannes verehrt, der für Christen als Vorläufer Jesu gilt und den die Muslime als Propheten “Yahya, Sohn des Zacharias” in Ehren halten. Der Papst trat nahe an den Grabbau mit dem großen Steinsarkophag heran und verweilte mehrere Minuten lang tiefgebeugt.
Im prächtigen Vorhof, unter der gold-grünen Fassade mit einer Paradiesdarstellung, rief Johannes Paul II. Christen und Muslime zum gemeinsamen Einsatz für das Wohl der Menschheit auf. Sie sollten sich als Partner begreifen. Er erinnerte an Erfolge im interreligiösen Dialog, etwa den Austausch mit der Kairoer Al-Azhar-Universität. Aber das christlich-islamische Gespräch dürfe sich nicht auf wenige Intellektuelle beschränken. Hinzukommen müsse der “Dialog des Lebens”, das friedliche und freundliche Zusammenleben der Angehörigen beider Religionen, so der Papst.
Eigentlicher Anlass der Reise war freilich das Pilgern auf den Spuren der jungen Kirche. In Damaskus besuchte der Papst Kirchen und Kapellen, die an den Apostel Paulus erinnern. Zudem standen ökumenische Gebetstreffen und Gottesdienste auf dem Programm. Die syrischen Christen, zwölf Prozent der Bevölkerung, genossen damals mehr gesellschaftlichen Freiraum als in anderen Staaten der Region, galten als stabilisierendes Element – und begrüßten den Gast begeistert.
Zuvor hatte der Papst bereits in Athen Station gemacht, wo Paulus auf dem Areopag seine bekannteste, aber wenig erfolgreiche Rede hielt. Die erste Begegnung mit der griechischen Orthodoxie erwies sich mittelfristig als ökumenischer Durchbruch. Letzte Etappe der Reise war Malta, wo der römische Bürger Paulus auf dem Weg nach Rom Schiffbruch erlitt und einen Winter verbrachte – bevor er sich in der Hauptstadt des Imperiums seinem Prozess stellte und den Märtyrertod erlitt.
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