Hamburg (KNA) Serpil Midyatli (45), stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende sowie -Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, bezeichnet sich selbst als “nicht besonders” religiös. Die höchsten islamischen Feste – den Ramadan und das Opferfest – habe ihre Familie gefeiert, sagte sie dem Magazin “Spiegel” (Samstag). “Dann habe ich ein paar Grundregeln mitbekommen: Du sollst nicht stehlen, andere Menschen achten, ein gerechter Mensch sein. Das war es auch schon.”
Dass sie kein Schweinefleisch esse, habe eher “Gewohnheitsgründe”, sagte Midyatli weiter. Als Muslimin sei sie in einer ähnlichen Situation wie der katholische schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU): Beide gehörten “hier im protestantischen Norden einer religiösen Minderheit an. Ist also kein großer Unterschied.”
Die meisten Muslime in Deutschland lebten ihren Glauben “ähnlich intensiv wie Christen”, betonte die Politikerin. Die Mehrheitsgesellschaft signalisiere ihr ständig, dass sie sich mit der Rolle der Frau im Islam befassen müsse. “Das nervt. Da werden Einzelfälle komplett überbetont”, so Midyatli. Das Kopftuch etwa betrachte sie als eine “persönliche Entscheidung”: Sie selbst trage keines. “Wenn eine Frau sagt, sie will das, dann ist es ihr gutes Recht. Wenn kleine Mädchen gezwungen werden, schreite ich ein. Das geht nicht.”
Generell gebe es für Menschen mit ausländischen Wurzeln “noch immer keine Chancengleichheit”, kritisierte Midyatli. “Es gibt Asylbewerber, die leben Jahre hier, aber dürfen keinen Sprachkurs machen, nicht arbeiten.” Auch bekämen Menschen mit ausländisch klingenden Namen mancherorts keine Wohnungen: “Noch heute werden Menschen daran gehindert, sich zu integrieren.” Es brauche mehr Investitionen in Bildung und gutes Kitas, “besonders für Menschen aus sozial benachteiligten Familien”.
Auch dürften Kinder von Asylbewerbern, die hier geboren würden und zur Schule gingen, nicht plötzlich abgeschoben werden, mahnte die Politikerin. Zudem sei sie für die Möglichkeit, Asylanträge in ausländischen Botschaften zu stellen. “Dann müssen sich Flüchtlinge nicht auf den gefährlichen Weg nach Deutschland machen.”
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